Rücken härten ja oder nein?

Menuki

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Hallo,

ich schleife gerade an meinem nächsten Tanto-Versuch rum - diesmal soll's ein Unokubi Zukuri Tanto werden.

tanto_C105_012_klein.jpg


Jetzt mein Problem:

Ich werde die Klinge (C105) in Öl härten, aber weiß nun nicht, ob ich den Rücken mithärten soll oder nicht...

Ich habe Angst, dass mir die Schneide springt, wenn ich den Rücken komplett mit Lehm isoliere und sich die Klinge beim Abschrecken biegt.
Bei einem frühreren Versuch (CK75 mit dünner Schneide in - kaltem - Wasser) ist mir die Klinge kaputt gegangen.

Oder brauche ich da keine Angst haben, wenn ich Öl verwende und die Schneide dicker (> 1 mm) lasse? Hält das dann eine Biegung aus?


Noch eine Frage an die Nihonto-Spezialisten:
Gibt es eine Grund, warum (soweit ich gesehen habe) die Unokubi- oder auch Kanmuri-Otoshi Zukuri Klingen immer nur ein Suguha Hamon und nicht z.B. Choji haben?

Danke & Grüße
 
Last edited:
Deine Frage beantwortet sich von selbst. Was passiert beim Härten ?.
Der in der kubisch flächenzentrierten Struktur des Austenits gelöste Kohlenstoff wird auf den Gitterplätzen, die er belegt, "eingesperrt", erzeugt Spannungen und dadurch die hohe Härte des Martensits.
Martensit ist- als Faustregel-bis 1 % größer als die übrigen Stahlstrukturen. Wenn du also allein die Schneidenpartie voll härtest, wird sie länger werden, als der nur teilweise oder nicht gehärtete Klingenrücken. Je nach den beteiligten Massen kann die Schneide den Rücken also nach hinten wegdrücken-es entsteht eine verstärkte Krümmung- oder -mangels ausreichender Masse- unterbleibt die Krümmung. In beiden Fällen gerät der Schneidenteil unter Druckspannungen, die für seine Stabilität günstig sind. Unangenehm könnte es nur werden, wenn Du die Schneide schon zu dünn machst, weil sie dann Wellen schlagen kann.
MfG U. Gerfin
 
Menuki said:
Noch eine Frage an die Nihonto-Spezialisten:
Gibt es eine Grund, warum (soweit ich gesehen habe) die Unokubi- oder auch Kanmuri-Otoshi Zukuri Klingen immer nur ein Suguha Hamon und nicht z.B. Choji haben?

Danke & Grüße


Der Grund dürfte vielleicht darin liegen das Du nicht soviel Literatur hast indem man Klingen in Unokubi-zukuri oder Kanmuri-otoshi-zukuri sehen kann. Es gibt durchaus solche Klingenformen welche eine andere Härtlinie haben als "nur" Suguha . Auf der anderen Seite hat so ein Tanto auch nicht soviel Platz für eine lebhafte Härtelinie.

Was dein fehlgeschlagener Härteversuch angeht so möchte ich Dich mal fragen wie oft Du das schon versucht hast.

Als ich angefangen hatte mich mit soetwas zu beschäftigen habe ich ca 8 Klingen ruiniert bis endlich eine akzeptable Härtung erzeugt hatte die so war wie ich es haben wollte .
So etwas geht nicht mal eben so nebenbei. Hier hilft nur üben ,üben ,üben.


(edit: mal eben auf die schnelle. Ein Tanto in Kanmuri-otoshi-zukuri ohne Suguha)
 

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Danke für die Informationen!

@Ulf
Ich habe vermutet, an der - äußersten - Schneide entsteht eine Zugspannung, weil der Rücken sich zusammenzieht, während die Schneide mit größerem Volumen "erstarrt". Wird durch die entstehende Krümmung die Schneide letztendlich nicht gesteckt?

@Dieter
Klar - man lernt aus "Fehlern"...nur so kommt man den Ursachen auf die Spur.
Da ich leider nicht schnell mal eine Klinge zum Testen vorbereiten kann, möchte ich die offensichtlichsten Schnitzer vermeiden und nicht unbedingt aus Übermut Sachen ausprobieren, für die man mehr Erfahrung braucht.

Bisher habe ich erst 5 Klingen gehärtet:
2 x CK45 -> "Hamon" schwach und Stahl natürlich nicht so hart geworden.
1 x 1.2846 -> schon hart, schöne Krümmung aber natürlich kein "Hamon"
2 x CK75 -> 1 x kaputt mit Krümmung , 1 x ok ohne Krümmung
 
Hallo Menuki

...Komm doch mal vorbei, dann machen wir das...Sehen ist immer besser, als nur erklären und Du bist ja nun wirklich auf dem richtigen Weg. Ich weiß jetzt nur nicht, wie weit Du von mir entfernt wohnst.
 
Trotzdem...

Trotzdem ist noch eine Frage offen:

Ich "möchte" (=kein Muss, falls es zu risikoreich ist), dass die Klinge eine leichte Krümmung bekommt.

Wie hoch schätzt Ihr das Risiko ein, dass die Schneide springt, wenn der Rücken isoliert ist?

Ist da nun an der Schneide eine Druck- oder doch Zugspannung? :confused:


Alternative:
Äußerster Rücken ohne Lehm, dann - so denke ich - wird der Biegung ein Widerstand gegeben und das Teil bleibt gerade...
 
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Noch mal: Das martensitische Gefüge wächst gegenüber den übrigen Strukturen. Also: nicht der Rücken zieht sich zusammen und die Schneide bleibt stehen und gerät unter Zugspannung, sondern: die Schneide wächst und der Rücken bleibt stehen, sodaß die Schneide unter Druckspannung gerät. Wäre es anders, so könnte sich eine zu dünn ausgeschliffene Schneide nicht in seitliche Wellen verziehen. Ob die Krümmung beim selektiven Härten stärker wird, hängt von den beteiligten Massen ab. Eine dünngeschliffene Schneide kann einnen dicken Rücken nicht nach hinten verbiegen.
MfG U. Gerfin
 
Hallo Menuki

Ulrichs Posting möchte ich noch ein paar praktische Erfahrungen hinzufügen:

Hast Du sagen wir mal 2 mm "Schneide" und 5 mm Rücken, wird sich die Klinge deutlich in richtung Rücken krümmen und keine Wellen schlagen.

Hättest Du aber nur 1,5 mm "Schneide", könnte das, bei gleichmäßiger Erwärmung z.B. im Ofen, schon anders laufen bzw. die Krümmung geringer ausfallen.

Erhitzt Du die selbe Geometrie "differentiell" im Feuer, fiele die induzierte Krümmung wieder stärker aus.

Hättest Du nur 1 mm Schneide, würde sie u.U. bereits Wellen werfen, wenn im Feuer differentiell austenitisiert wird, während im Ofen, trotz Lehmmantel, sogar ein Verzug in richtung "Sichel" auftreten könnte, da der Rücken ja mehr Masse besitzt...usw. usw.

Das ist also alles von sehr vielen Faktoren abhängig, die sich nur mit Erfahrung und genauer Arbeit in den Griff bekommen lassen...

Ich versuche inzwischen, die Krümmung hauptsächlich über die Geometrie und den Lehmauftrag an der Rückenkante zu steuern (Schmiedefeuer). Dabei hat es sich gezeigt, das ein 10tel mm durchaus kein zu vernachlässigendes Maß ist!!!
 
U. Gerfin said:
...sodaß die Schneide unter Druckspannung gerät. Wäre es anders, so könnte sich eine zu dünn ausgeschliffene Schneide nicht in seitliche Wellen verziehen. Ob die Krümmung beim selektiven Härten stärker wird, hängt von den beteiligten Massen ab. Eine dünngeschliffene Schneide kann einnen dicken Rücken nicht nach hinten verbiegen.
MfG U. Gerfin

Tut mir leid, wenn ich da so nachhake, aber die Sache ist richtig spannend - zumal wenn man sie noch nicht so kapiert hat ;-).

Wenn ich es also richtig verstanden habe, dann trifft in unterer Zeichnung die letzte Situation zu und die vorletzte mit dem Zug ist Schmarrn..?

(Übrigens: Wie kann eigentlich eine gegenläufige Biegung nur durch das Härten entstehen, s. zweite Zeichnung?)

bending.gif



Ich habe noch eine Detailaufnahme meiner gesprungenen Klinge angehängt. Auf Grund der Tatsache, dass sich hier "Spalten" gebildet hatten, dachte ich, sie wären durch Dehnung entstanden...

cracks-detail.jpg
 
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Hab' mir heute den ganzen Tag überlegt, was denn eigendlich beim Härten einer lehmisolierten Klinge z.B. aus CK75 passiert und denke mal, ich hab's verstanden, oder? :

Zimmertemperatur:
Rücken: Ferrit + Perlit, kubisch raumzentriert
Schneide: Ferrit + Perlit, kubisch raumzentriert
-> Klinge ist gerade bzw. in der hergestellten Form

Erhitzung bis ca. 750° C
Rücken: langsame Wärmeausdehnung, da große Masse und Isolierung
Schneide: schnelle Wärmeausdehung, da wenig Masse und keine Isolierung
-> Klinge biegt sich zuerst in Richtung Rücken, da sich die Schneide schneller dehnt. Wenn sich der Klingenkörper auch komplett erhitzt, dann gleicht sich die Krümmung wieder aus.

kritische Temperatur:

Rücken: Umwandlung in Austenit später, falls überhaupt kritische Temperatur vor dem Abschrecken erreicht wird.
Schneide: Umwandlung in Austenit früher, kubisch flächenzentriert, Volumenverringerung aufgrund höherer Packungsdichte
-> Klinge biegt sich in Richtung Schneide, da das Schneidenvolumen schrumpft. Falls die Klinge komplett in Austenit umwandelt, dann gleicht sich die Krümmung wieder aus.

Abschrecken in Wasser:

Rücken: Keine Umwandlung in Martensit, wenn kritische Temperatur oder Abkühlgeschwindigkeit nicht erreicht wurde; Wärmeausdehnung geht auf ursprüngliches Volumen zurück.
Schneide: Umwandlung in Martensit, tetragonal raumzentriert, sprunghafte Volumenvergrößerung, Martensit behält größeres Volumen als ferritisch/perlitisches Gefüge
-> Klinge biegt sich in Richtung Rücken; Druckspannungen entstehen in der Schneide durch das größere Volumen des Martensits.


Noch ist mir nicht ganz klar, warum sich eine Klinge bei Ölhärtung (ohne isolierten Rücken) zur Schneide biegen kann...
Vielleicht weil Schneide und Rücken unter Druckspannung stehen (mittlerer Bereich ist ja kein Martensit) und der Rücken aufgrund größerer Masse einfach mehr Druck hat? Was hat das mit Öl zu tun - Abschreckgeschwindigkeit?

BTW: Wie könnten die Risse oben auf dem Foto entstanden sein?

Also falls ich Euch nicht langweile - nur her mit Infos!
 
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Hallo Menuki

1. Die Sache darf man sich als recht dynamischen Vorgang vorstellen, d.h. die Auftretenden Spannungen können, je nach Geometrie und Abkühlgeschwindigkeit, während des Abschreckens zwischen Zug und Druck wechseln. Martensit bildet sich erst nach erreichen des Ms Punktes, also nicht unbedingt sofort beim Eintauchen!

2. Die Risse in der gezeigten Klinge (wurde in Wasser gehärtet, gell?)
sind in meinen Augen "normale" Härterisse, die von zu schroffer Abschreckung kommen. Auch hier wäre es wichtig, den genauen Vorgang zu kennen und wie gesagt die Geometrie beim Härten. Man muß da wirklich jeden Einzelfall ganz genau "auseinandernehmen".

3. Verzug Richtung Schneide:

Hat mit dem Abschreckmedium wenig zu tun. Mehr mit der Geometrie und der Art des Austenitisierens.
Eine relativ feine Schneide baut nicht genug Druckspannug auf, um den Rücken verbiegen zu können. D.h. sie bleibt bei Beginn der Abkühlung "stehen", zieht sich u.U. sogar vor erreichen von Ms etwas zusammen (Wärmeausdehnung!), bevor sie sich wieder streckt. Das könnte den "Sichelverzug" hervorrufen. Da bin ich mir aber selbst nicht ganz sicher!

Härtet man solche Sachen mal in einem durchsichtigen Gefäss, so dass man die Vorgänge beobachten kann, sieht man manchmal, wie sich die Teile wie eine Schlange hin- und herwinden. Wo sie dann letztlich stehen bleiben, ist eben wieder eine Frage der Geometrie, des Lehmauftrages und der Austenitisierung (differentiell oder gleichmäßig).

Da der Rücken ja sehr viel Masse besitzt, genügt da nach meiner Erfahrung schon eine Einhärtung von etwa einem mm, um die Krümmung fast gänzlich zu verhindern. Bei 2 mm kann bereits deutlicher "Sichelverzug" auftreten.
Da spielt dann auch der verwendete Stahl eine große Rolle. C 105 ist ja ein Schalenhärter und wird Am Rücken in Öl mit leichter Lehmschicht deutlich weniger tief einhärten, als z.B. 2842...

Das sind wie gesagt ziemlich viele Parameter, die es zu berücksichtigen gilt. Der Schlüssel zum Erfolg ist es daher, möglichst viele Punkte (z.B. Stahl, Geometrie und Lehmauftrag) bei den Versuchen nicht zu verändern und ganz gezielt durch veränderung jeweils nur eines Parameters ggf. "gegenzusteuern".
 
Arno hat die wesentlichen Vorgänge schon angesprochen und dem ist voll zuzustimmen. Insgesamt ist die Frage des Verzugs bei den Wärmebehandlungen und insbesondere beim Härten sehr kompliziert.
U. Wyss schreibt dazu in dem sehr empfehlenswerten Buch "Wärmebehandlung der Bau- und Werkzeugstähle" Herausgeber Hanns Benninghoff immerhin ein ganzes Kapitel mit 31 Seiten. Er behandelt dabei auch die sehr wichtige Frage des Richtens- also: Nachlesen.
Wer sich in der Praxis ein Bild über die möglichen Verzugsformen machen will, sollte mal Versuche mit einseitig verstählten Klingen machen. Die bewegen sich manchmal wie ein Dackelschwanz beim Wedeln. Die Lösung liegt- wie meist- beim Nachdenken und sorgfältigen Planen und in der Erfahrung. Dazu ein paar Grundregeln: 1. Äußerste Vorsicht beim Wasserhärten- meines Erachtens überhaupt nicht zu empfehlen- wenn überhaupt, dann nur nach vorheriger optimaler Behandlung auf feines Korn und mit Abdeckung. 2. Spannungen intelligent nutzen- etwa durch Erzeugen von Druckspannungen in dem Schneidenbereich- wie es Arno beschrieben hat. 3. Robuste Konstruktion einplanen. Ein Beispiel: Bei einer einseitigen Verstählung wird die Klinge nach dem Härten und Anlassen von der harten zur weichen Seite hin gekrümmt sein. Wenn man nun die weiche Seite streckt-etwa durch kleine Einkerbungen mit der Hammerfinne- wird die Stahlseite gestaucht , gerät unter Druckspannung und die Klinge wird gerade. Das geht natürlich nur, wenn die Massen richtig gewählt sind, die weiche Decklage gegenüber dem Stahl also mindestens 2 : 1 dominiert. Noch ein kleines Beispiel aus der Praxis: Jean Tritz und ich unterhielten uns mit Havard Bergland über das Richten und entwickelten die raffiniertesten Theorien etwa über das Richten beim Übergang vom tetragonalen zum kubischen Martensit ( was übrigens wirklich funktioniert). Havard hörte eine Weile zu, nahm dann eine krumme Dreilagenklinge, legte sie auf einen Holzklotz und gab ihr einen kräftigen Schlag mit dem Hammer auf die konvexe Seite- schon war sie kerzengerade und durch den Schutz der weichen Außenlagen verträgt das auch eine voll gehärtete Kernlage.
MfG U. Gerfin
 
Bin immer noch mit dem selben "Unokubi zukuro"-Rohling zu Gange (s.a. Peter Abel Forum)...
Hab's das Teil schon paar mal gehärtet - einen Versuch gebe ich ihm noch, dann lass ich es in Frieden (und gebe mich zufrieden) ;-)

Aber irgendwie ist mir das mit dem Sichelverzug noch nicht ganz klar:
Ich habe einen krumm geflexten Rohling selektiv gehärtet und er war nach der Wärmebehandlung gerade! Also gab's eine Biegung in Richtung Schneide! Die einzig mir logische Erklärung ist, dass ich den Rücken wohl leicht mit angehärtet hatte ?...?...?

Es ist klar, dass während des Abschreckens sich die Klinge biegt wie verrückt, aber am Schluss (wenn tatsächlich nur die Schneide gehärtet wurde) solle doch wenn überhaupt immer eine Biegung zum Rücken hin erfolgen, oder?
 
HAllo Menuki,
Habe schon selber zweimal dieses Phänomen erlebt, das Klingen noch vorne gebogen waren, nach dem teilhärten, beim anätzen zeigte sich das nur die schneide gehärtet war. Arno hat das auch schon mal erlebt, so weit ich weis, ich glaub der kann das besser erklären, aber so was passiert wirklich!
 
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