Wärmebehandlung 15N20?

xtorsten

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hi,

ich habe ein kleines Stück Sägeblatt, was aus dem Material ist (dementsprechend Federhart) und möchte daraus ein Messer schleifen.
Habt Ihr die Daten für Weichglühen, Härten etc.?
Oder was besonderes zu beachten ist (z.B. wg. Ni)?

gruß,
torsten
 
da ich leider nichts weiter gehört habe, muss ich wohl rechnen.
In romans Buch und beiAc1 im kleinen Stahlschlüssel
gibt es ja Formeln, die mir weiterhelfen sollten - doch eines nach dem anderen.

Zu Beginn gleich die rste Unstimmigkeit:
keine übereinstimmenden Ergebnisse, was die Zusammensetzung anbelangt.

Zum einen findet sich:
.75 C, .40 Mn, .30 Si, 2.0 Ni
z.B. bei:
swordsforum

und:
http://www.knivesby.com/bandsawsteel.html

zum Anderen wurde hier
auf eine quelle verwiesen, die C= 0,75 Mn= 0,75 Ni= 2,0 angab.

Ich tendiere zu der ersten Angabe und vermute, dass die Zweite auf die lapidare Aussage "Ist wie L-6, nur ohne Mo und mit 2% Ni" zurückzuführen ist, auf die ich in amerikanischen Foren gestoßen bin.
Was meint Ihr?

Ich habe das mal mit der ersten Möglichkeit durchgerechnet.
Mit der Foreml zum Weichglühen aus romans Buch
Tw (°C)= 705 + 20 ( %Si - %Mn + %Cr -%Mo - %Ni - %W ) + 100 * %V
ergibt sich dann:
Tw 15n20 = 705 + 20 (0,3 - 0,4 -2,0 ) = 663°C
Zur Überprüfung habe ich mal mit 1.2842 gerechnet und kam dann auf 688°C, landete also in dem Fenster, dass auch im Stahlschlüssel angegeben ist. Könnte also so passen. Ich werde es wohl nicht überprüfen können, da mein 15n20 von einer Bandsäge stammt und daher wohl martensitisch ist und mit so ziemlich jedem Hochtemperaturanlassen unterhalb Ac1 weich werden wird - oder liege ich da falsch?


Weiter habe ich Ac1 mit der Formel von herbert
Ac1 = 739 – 22C+2Si-7Mn+14Cr+13Mo-13Ni+20V
errechnet:
Ac1 15n20 = 739 - 22*0.75 + 2*0.3 - 7*0.4 - 13*2 = 739 - 16.5 + 0.6 - 2.8 - 26 = 694.3

Kann das so passen?
Wenn ich nun von +30°C Härtetemperatur ausgehe, dann wären das ja gerade einmal ~726°C ???

Das stimmt nun so überhaupt nicht mit den Werten überein die unter
http://www.knivesby.com/bandsawsteel.html
genannt wurden. Ist zwar für mich nicht ersichtlich, welche Werte nun für welche Stähle sein sollen, sie liegen aber alle deutlich über dem, was ich errechnet habe.:confused:
Wenn man die Fahrenheit umrechnet kommen da ja
760-790°C für weichglühen und 790-840°C zum Härten bei heraus - klingt mir auch nicht richtig so.

Rein aus dem Bauch würde ich schätzen, dass Weichglühen bei 660°C funktioniert und Härten so bei 790-810°C - wobei ich denke, dass es geschickt wäre, bei dünnen Querschnitten ruhig scharf und etwas höher zu austenitisieren und dann die Temperatur abfallen zu lassen und dort zur Lösung des Zementits zu halten (die Erweiterung des Austenitgebiets durch Ni eben so zu nutzen).

So, ist alles etwas undurchsichtig, von daher bin ich sehr gespannt, andere Meinungen zu hören.

Gruß,
torsten
 
Last edited:
Hallo Torsten !
Nimm die Zahlen hinter dem Komma nicht zu genau. Im Stahlschlüssel und in der Stahl-Eisen-Liste sind immer Legierungsrahmen angegeben, in denen sich die Stähle bewegen. Wenn einmal 0,7 % Man, und einmal 0,4 % Man angeben ist, bleibt das doch noch der gleiche Stahl, wenn sich auch kleine Unterschiede in den Reaktionen auf die Wärmebehandlung ergeben könnten. Wenn zum Si- Gehalt keine Angaben gemacht werden, bedeutet das auch nicht, daß der Stahl siliziumfrei ist, er hat dann halt nur keine Siliziummengen, die direkte Legierungswirkung haben.
Genauso ist es mit den Weichglüh- oder sonstigen Temperaturen. Schon wegen der nicht ganz exakt einhaltbaren Legierung ist es sinnvoll, von einem Temperaturrahmen auszugehen und nicht zu glauben, es gäbe eine allein richtige Temperatur. Die Formeln machen Sinn, wenn man einen Vorgang computermäßig steuern will- dann kann man den Ofen entsprechend steuern und das Ergebnis liegt im richtigen Bereich und der Benutzer braucht nur auf einen Knopf zu drücken. Daß es besser ist, als eine andere Behandlung im richtigen Rahmen, sollte man aber deshalb nicht glauben.
Ich würde mich also an Deiner Stelle getrost an die Angaben im Stahlschlüssel halten und den dort angegebenen Rahmen nach den gewünschten Ergebnissen variieren. Bei Deinem Bandsägeblatt kannst Du z. B. eigentlich nichts falsch machen. Es war vermutlich voll gehärtet und ist auf die Gebrauchshärte angelassen worden. Das ist der Idealzustand für ein einfaches und wirksames Weichglühen. In einem solchen Fall genügt ein langsames Erwärmen auf eine Temperatur etwas unter Ac 1 und die Sache hat sich.
MfG U. Gerfin
 
Hallo

Vielen Dank für die Tips U.Gerfin!

Leider finden sich im kleinen Stahlschlüssel keine Werte für den Stahl.
Ich werde mal demnächst im Großen schauen.

Davon ab war ich nicht untätig.
Ich habe ein Stück des Bandsägeblattes zusammen mit einer verzogenen 1.2842-Klinge in einem Vierkantrohr und der Heilerde-Holzkohlestaubmischung 1,5h bei 660°C geglüht und dann im Ofen abkühlen lassen. Beide Sachen sind weich genug zum Bearbeiten geworden. Vom Gefühl her würde ich sagen, dass es noch weicher ginge,aber wohl die Zeit nicht langte (es dauert ja auch ein wenig, bis der Stahl durch die Heilerdemischung durchgewärmt ist).
Ist aber gar nicht so schlecht.

Dann habe ich mir Plättchen von ca 1 x 2 cm (bei 1,5mm Stärke) geschnitten und die Oberfläche überschliffen, um eventuelle Einflüsse vom Glühen auszuschließen.

Nun habe ich von 730-850°C in 20° Schritten Härtungen durchgeführt. Zeit im Ofen je 10min (Aufheizen und Halten zusammen). Abgeschreckt in Öl (ca. 10° C - nicht optimal, aber so warm ist es eben in der Werkstatt).
Danach mit der Feile getestet, Glas versucht zu ritzen, gebrochen und Bruch angeschaut.

Ergebnis:
Schon bei 730°C rutschte die Feile und an einer Ecke ließ sich mit Druck Glas ritzen.
Das von 750°C gehärtete Plättchen war ganz ähnlich, nur ritzte es subjektiv zuverlässiger.
Alle Plättchen wurden so hart, dass die Feile nicht mehr griff und man den einen oder anderen Kratzer ins Glas machen konnte.
Eine nennenswerten Steigerung der Härte konnte ich nicht ausmachen.

Dann habe ich alle Plättchen gebrochen und den Bruch angeschaut.
Das 730° Plättchen brach mit einer Stufe und zeigt einen samtigen Bruch. Ebenso - jedoch ohne `Stufe` - 750° und 770°.
Die ab 790°C gehärteten Plättchen zeigen dagegen eine kristalline Struktur. Mit dem bloßen Auge sieht das aus wie ein Dia-Schleifstein.
Ich habe es dann noch mal bei 40-facher Vergrößerung unter dem Mikroskop angechaut, da wird es wesentlich deutlicher:
730zs8.jpg

730°C

770cf4.jpg
770°C

770790ua1.jpg

770°C oben, 790°C unten

790mz0.jpg

790°C

Leider sind die Bilder nicht gut (sry - das Okular gibt keine höhere Auflösung raus), aber den `Sprung` sieht man deutlich.

Bei 25-facher Vergrößerung sieht man auch deutlich, dass das 730°C-Plättchen eine `strähnige` Struktur zeigt. Ich habe sowas mal im Buch als Beispiel für eine etwas zu geringe Härtung gesehen. Leider sind die Bilder so schlecht, dass man es nicht gut genug erkennen kann.

Alles in Allem eine aufschlussreicher Aktion und ein:super: für herberts Formel bzgl. Ac1!
Die Härtungen hier sind natürlich nicht unabhängig von der vorangegangenen Glühbehandlung. Ich denke 730°C sind schon arg kanpp und haben auch nur auf Grund der geringen Größe der Teile und meines nicht allzu weichen Ausgangsgefüges funktioniert.
Für meine Klinge werde ich wohl 750-770°C wählen - mal schauen.

Vielleicht werde ich die Reste meiner Plättchen noch einmal bei 180° anlassen und schauen, ob sich Feinheiten ausdifferenzieren lassen.

Gruß,
torsten
 
Hallo Torsten
Es gefällt mir sehr gut, wie Du an die Sache herangehst. Gerade kleine Experimente machen viele Vorgänge besser verstehbar.
Zwei Anmerkungen: Stahl wird weich, wenn der Kohlenstoff aus seiner Gefangenschaft im Martensitgitter befreit wird. Dabei ist die Temperatur wirksamer, als die Zeit. Du hättest also ohne weiteres auf 700 Grad heraufgehen können und die Zeit etwas kürzen können.
730 Grad als Härtetemperatur sind an sich für eutektoidische C-Stähle oder leicht legierte Stähle, bei denen es auf die Lösung beständiger Karbide nicht ankommt, ausreichend. Mit höherer Härtetemperatur erreicht man dann keine höhere Härte-oft sogar fällt die Härte wegen des vermehrten Restaustenits wieder.
Man geht mit der Härtetemperatur in der Praxis gleichwohl deutlich über den Ac 1 Punkt hinaus, um Zeit und Sicherheit für die Härtung zu gewinnen. Bei 730 Grad würde eine kleine Fehlfunktion des Ofens schon ausreichen, um unter Ac 1 zu bleiben, mit dem Ergebnis, daß nicht gehärtet, sondern weichgeglüht worden wäre. Ist man mit der Härtetemperatur ganz nahe bei Ac 1 so besteht die Gefahr, daß der umwandlungsfreudige Stahl auf dem Weg zum Abschreckmedium die Perlitnase schon erreicht mit der Folge mangelhafter oder ganz ausbleibender Härtung.
Zu den Bruchbildern: Ich finde die Erläuterungen bei Rapatz in ihrer Klarheit und verständlichen Darstellung nach wie vor unübertroffen.
Die Kapitel "Härteempfindlichkeit"-S. 56 ff- "Unlegierte Werkzeugstähle"
S. 131 ff- und die Gefügebilder S. 734, 735 sind unbedingt lesens- und anschauenswert. Der Atlas der Wärmebehandlungen ist weit ausführlicher, ohne letztlich mehr zu sagen.
MfG U. Gerfin
 
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