Weichglühen fehlgeschlagen?

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gast

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Mahlzeit,

Hätte da mal wieder eine Frage zur WB.

Ich wollte 2 Klingen (1.2235 und 1.2067) vor dem Härten noch Weichglühen. Im Netz habe ich eine Tabelle mit den Zeiten und Temperaturen gefunden.
Beide Klingen habe ich auf etwa 630°C erhitzt, 2 Stunden gehalten und anschließend den Ofen abgeschaltet. Nach etwa 26h waren die Klingen dann komplett kalt. Im Nachhinein erscheint mir die Dauer vielleicht etwas viel. Kann es schon zur Entkohlung gekommen sein?

Heute wollte ich dann die Zunderschicht entfernen und musste feststellen, dass diese relativ dick und wiederstandsfähig ist.

Bevor ich jetzt weitermache würd ich gerne wissen ob die WB überhaupt korrekt war und ob diese starke Zunderschicht etwas zu bedeuten hat.
Bilder kann ich gerne noch hochladen.
 
Hallo Cold,

26 Stunden sind insgesamt schon recht lange. Scheint ein sehr gut isolierter Ofen zu sein. War die Klinge vor dem Weichglühen schon auf Endmaß geschliffen? In dem Fall kann es durchaus sein, dass du an der Schneide zu viel Kohlenstoff verloren hast. Eigentlich glüht man die Rohlige, sofern geschmiedet, vor dem Formschleifen weich. Danach macht ja eh keinen Sinn, dann hast du die Klinge ja schon bearbeitet. Nicht geschmiedetes Flachmaterial musst du in der Regel vor dem Härten weder Normalisieren noch Weichglühen.

Eine Zunderschicht entsteht nunmal bei langen Glühzeiten, ob deine besonders dick ist kann ich nicht beurteilen. Auch hier gilt, vor dem Schleifen weichglühen, dann ist auch die Zunderschicht kein Problem.

Des Weiteren ist die Temperatur bei beiden Stählen, besonders dem 1.2067 deutlich zu gering gewählt. Mein Tip fürs nächste Mal, den Rohling aus 1.2067 zwei Stunden auf 720 Grad halten, dann innerhalb von vier Stunden von 720 auf 650 Grad abkühlen (sofern dein Ofen programmierbar ist) und dann ausschalten und den Rest mit Ofenabkühlung. Den Rohling aus 1.2235 bei 690 Grad weichglühen.

Ich glühe immer über Nacht weich. Zum Feierabend programmier ich den Ofen und lege die Rohlinge ein. Am nächsten Morgen hat der Ofen dann noch um die 200 Grad. Das lass ich dann einfach mit offener Ofentür bis auch Raumtemperatur abkühlen.

Gruß Jannis
 
Hallo Cold,

zum Härten ist es nicht notwendig die Klingen weich zu glühen, es sei denn das bei der Bearbeitung partiell höhe Temperaturen entstanden sind die Verzug befürchten lassen. Sind die Klingen nicht allzu groß ist das in der Regel kein großes Problem. Ich hatte immer dann Probleme mit Verzug wenn die Klingen länger als 200 mm waren.

Weichglühen ist meiner Ansicht nach unerlässlich wenn geschmiedete Klingen später mit der Feile bearbeitet werden müssen.

Entkohlung sollte bei einer so niedrigen Temperatur auch kein Thema sein. Und wenn, dann ist die entkohlte Schicht so dünn das die beim entfernen des Zunders weggeschliffen wird.

Meiner Meinung nach kannst Du die Klingen normal Härten, Anlassen und dann fertig bearbeiten. Die Oxidschicht ist natürlich widerstandsfähig und hart.

Grüße

Detlev
 
Danke für eure Antworten.

Die Klingen sind beide schon fertig geschliffen. Beim Schleifen ist mir aber bei beiden die Spitze blau angelaufen, deshalb wollte ich sie Spannungsarmglühen. Ich konnte allerdings nur Daten zum Weichglühen finden, daher hab ich auch das Verfahren gewählt. Oder kann man die Klinge gleich wegwerfen wenn die Spitze blau angelaufen ist? Eigentlich ist sie in dem Bereich doch nur zu heiß geworden oder nicht?

Eine Klinge ist etwa 120mm lang und 5mm dick, die andere etwa 160mm lang und 2,5mm dick (+Erl). Wie könnte man eine mögliche Entkohlung feststellen? Geht das nur indem ich die Klingen härte und schaue ob die Schneide noch weich ist oder gibts noch andere Möglichkeiten?

Der Ofen steht in der Schlosserei, in den ich arbeite. Ist ein recht altes Gerät. Die automatische Abschaltung funktioniert da nicht mehr.
 
Hallo Cold,

also so schnell entkohlt kein Stahl. Da müssen schon recht hohe Temperaturen über längere Zeit wirken. Wir wissen das geschmiedete Klingen sehr gut sind aber selbst beim Schieden kohlt der Stahl nicht aus. Das bisschen blau an der Spitze ist kein Problem solange die Klinge noch nicht hart ist.

Grüße

Detlev
 
Alles klar. Dann werd ich die Klingen erstmal fertig machen. Vielen Dank!
 
Bitte entschuldige aber das ist so nicht richtig. Stahl entkohlt auch bei Temperaturen unter Ac1. Je nachdem wie die Atmosphäre im Ofen ist, kann bzw. wird die Randentkohlung der Oxidation vorauseilen. Das kann bei langen Glühzeite auch schnell mal ein bis zwei Zehntel von jeder Seite sein. Je nachdem wie dünn die Schneide ausgeschliffen ist, kann das also zu Problemen führen. In diesem konkreten Fall wird nur ein Härteversuch Sicherheit geben.

Des Weiteren sind solche Pauschalaussagen wie "das geschmiedete Klingen sehr gut sind" äußerst irreführend. Natürlich können geschmiedete Klingen sehr gut sein. Vorrausgesetzt der Schmied versteht sein Handwerk und die Klinge wird nach dem Schmieden vernünftig normalisiert und weichgeglüht. Aber selbst dann sind geschmiedete Klingen nicht besser als Klingen in Stock-Removal Verfahren, die vernünftig gehärtet werden. Das Flachmaterial kommt ja schon mit einem optimal eingestellten Gefüge aus dem Werk. Es besteht eher die Gefahr, dass man beim Schmieden Fehler macht und die Leistungsfähigkeit der geschmiedeten Klinge unterhalb der einer "nur" geschliffenen Klinge ist.

Außerdem können Stähle sehr wohl beim Schmieden randentkohlen. Besonders Si-legierte Federstähle neigen dazu, weil das Si den Stahl zunderbeständiger macht und die Entkohlung so der Verzungerung vorauseilt, unabhängig von der Atmosphäre im Schmiedefeuer.

Das Normalglühen einer fertig geschliffenen Klinge macht ebenfalls keinen Sinn. Ich hab hier mal was dazu geschrieben.

Gruß Jannis
 
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Hallo Janis,

Du hast natürlich grundsätzlich recht obwohl Du recht schwarz gemalt hast. Ich will einen praktischen Tip geben. Letztendlich läuft es darauf hinaus die Klingen zu härten und zu prüfen ob die was taugen. Ich glaube das die Chance das noch Klingen herauskommen für sehr hoch.

Grüße

Detlev
 
Im Laufe der Woche werde ich die Klinge aus 1.2067 härten, dann wissen wir mehr. Reicht es anschließend mit der Feile über die Schneide zu fahren um zu sehen ob sie hart geworden ist?
 
Hallo Cold,

das reicht im Normalfall. Es sollte dabei ein heller Klang zu hören sein und die Feile sollte nicht packen. Den Test mach gleich nach dem Abschrecken. Mach einfach einen Vergleichstest mit Materialien wo du weißt ob hart oder weich. Am besten dann gleich anlassen.

Grüße

Detlev
 
Wenn der Stahl in der Randschicht doch etwas zu viel Kohlenstoff gelassen hat kann es gut sein, dass beim Feilentest die Feile an der Oberfläche doch ein wenig kratzt anstatt wie über Glas zu rutschen. Lass dich also vom ersten sanften Feilenstrich nicht entmutigen. Deshalb würde ich erst mal mit Schmirgelleinen zumindest punktuell die Zunderschicht und die ersten paar µm runterschleifen und dann mit der Feile prüfen. An der freigekratzten Stelle kannst du dann später auch gut die Anlassfarbe beobachten.
Ich prüfe den Härtevorgang durch das Ritzen von Glas. Dringt die Schneide beim "Drübersägen" über eine Glasflasche etwas ins Glas ein bin ich sicher, dass die Klinge hart geworden ist...
 
Die Klinge aus 1.2067 habe ich vorhin gehärtet:

840°C - 6 min. im Ofen - Abschrecken in 60°C Öl

Leider ist sie nicht hart geworden, zumindest nicht komplett. Wenn ich mit der Feile über die Angel fahre greift sie erst ein paar mal an aber gleitet nach ein paar zehnteln nur drüber.
Mit dem Körner hab ichs auch versucht, ein paar zehntel dringt er ein aber die Spitze ist danach platt.
Sieht also so aus als wenn die äußere Schicht nicht hart wird. Das Anlassen hab ich gleich gespart. Da es bei der Klinge aus 1.2235 wohl ähnlich ablaufen wird, mache ich lieber beide neu.
 
Das ist doch ganz normal, da ist ja auch noch Zunder drauf. Wichtig ist es außerdem nicht wie es an der Angel aussieht, sondern an der Klinge und Schneide. Nur dort würde ich den Feilentest durchführen. Du musst bedenken, dass du noch einige Zehntel abnehmen wirst, bis du die endgültige Schneide anlegst.
 
Ich würde die Klingen sofort anlassen und danach eine Schneide anschleifen. Dann kannst du das Ergebnis prüfen. Bis auf die Randschichtentkohlung, und vielleicht das späte Anlassen, sollten die Klingen gut sein. Viel Erfolg!
 
Den Zunder hatte ich für den Test bereits zT. entfernt. Das Messer soll hauptsächlich als Allzweckmesser in der Küche eingesetzt werden. Wird sich die misslungene Wärmebehandlung da nicht im Punkto Schneidhaltigkeit bemerkbar machen?
 
Dass Du mit Feile und Körner etwas eindringen kannst und erst dann auf hartes Material stösst, ist normal. Bei der von Dir angewandten Glühbehandlung hat es die Oberfläche entkohlt. Und zwar so tief, dass nur Zunder abschleifen nicht ausreicht. Das passiert beim Schmieden übrigens auch. Daher sollte man immer weichglühen, bevor man an den Klingenschliff geht. Die Industrie geht da noch einen Schritt weiter, um sicher zu sein. Die härten konturierte Rohlinge bei voller Materialdicke und schleifen dann die Klingen nass/gekühlt fertig.
 
Hab eben die zweite Klinge aus 1.2235 gehärtet:

11 min. auf ca. 825°C gehalten, dann wieder in Öl (60°C) abgeschreckt. Auch wieder den Test mit Körner und Feile gemacht und die gleichen Symptone wie bei der ersten Klinge festgestellt.

Vorher hab ich allerdings mal ein kleines Reststück vom Flachstahl des 1.2235 (Auslieferungszustand) unter den gleichen Bedingungen gehärtet, lediglich die Zeit vom Ofen bis ins Öl war etwas länger. Auch dabei hab ich die gleichen Symptome festgestellt. Hab dann mal mit der Feile die ersten paar zehntel weggefeilt bis die Feile nicht mehr packt. Dann hab ich nochmal gekörnt und diesmal ging der Körner komplett rein. Zum Testen hab ich dann mal versucht zu bohren und komischerweise ging das auch, wobei es mehr ein Schaben war. Der Bohrer war danach aber noch intakt. Das gleiche hab ich dann auch nochmal bei der Klinge probiert, allerdings hab ich da nur die Zunderschicht eben abgeschliffen und nicht die Feile angesetzt. Hier packt der Bohrer garnicht erst.

Muss ich jetzt davon ausgehen das die Klinge unter der harten Schicht auch wieder weich ist?
 
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