"Offiziersmesser" / gab's die und wo ? ==>unbekannte Prägung

Abu

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Liebe SAK-Experten,

nicht zusammenzucken bei der möglicherweise provokanten Frage. Aber bei meinen Recherchen habe ich noch "keines" gefunden und es interessiert mich wirklich!!!

Ich schicke voraus: Ich kenne die Historie der Schwyzer Soldatenmesser einigermaßen, habe selbst so ein heavy-duty Teil von Elsener/44, aber in der öffentlichen Wahrnehmung würde niemand so ein Messer als "Offiziersmesser" sehen. Ok., ab Modell 1961 sehen sie dann etwa so aus wie die später grandios und weltweit vermarkteten Messer mit ca. 9cm-Griff und 5-6 Tools/Klingen, heißen aber immer noch "Schweizer Armeemesser", oder?

Frage 1: Mich interessiert nun, ob es reine "Offiziersmesser" jemals hoheitlich per Ordonanzerlass oder ähnlichem beim Schweizer Militär gab - oder ob es eine geniale Marketingidee des ebenso genialen Elsener war?

Frage 2
:Weiß jemand, ob es die "Kleinen" in anderen Ländern um 1900 in den Status offizieller Militärausrüstung geschafft haben, und ggf. wo? Dass es diese kleinen Multifunktionsmesser da bereits gab, kann man anhand alter Solinger Werbung sehen, die diese sogar Soldaten im WK I empfiehlt, vmtl. ziviler Besitz.

Ich besitze zudem das nachfolgend abgebildete Messer, das der Vorstellung des heutigen "Offiziersmesser" sehr entspricht. Giff ca. 9 cm, vmtl. Vulkanfiber, Klinge ca. 7 cm, einfacher Stahl, ziemlich grob geschmiedet. Das Messer weist eine geprägte Krone sowie die Zahl 99 auf der Klinge auf, ich vermute Jahreszahl. Ob die Krone ein Hoheitszeichen ist - dafür wäre vmtl. oben ein Kreuz und keine "Federn.."? Herstellerzeichen? Ich fand bisher nur einen Hersteller mit Krone, Gerlach im Bezirk Lodz/Polen, gehörte mal kurz zur KuK-Monarchie und "99" zu Russland. Aufgefunden wurde das Messer in Zittau/Sachsen. Ich hatte deshalb auch schon die Nixdorfer Schmieden in Böhmen im Visier....

Frage 3: Kennt jemand die Prägung bzw. Zusammenhänge, militärisch/zivil usw.?

Danke vorab für eure Mühen und Hilfe
Abu

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Ich kann Dir nur die Frage 1 beantworten, diese aber ziemlich kompetent: Ich war selber von 1977 bis 1991 in der schweizer Armee eingeteilt. In dieser ganzen Zeit gab es nur das Soldatenmesser 61 als Teil der Ausrüstung. Dessen Vorhandensein und Sauberkeit wurde regelmässig bei der 'Ausrüstungsinspektion' kontrolliert. Deshalb versorgten viele von und das Teil sorgfältig eingewickelt im Rucksack und nutzten ein privates SAK fürs Essen und zum Einstellen des Visiers. So ging das Ordonanzmesser nicht verloren und musste nie gereinigt werden.

Mein Vater war Soldat und später Offizier von 1947 bis in die 70-er Jahre, er wurde in der Rekrutenschule mit dem Modell 1908 ausgerüstet. Später als Offizier musste er diejenigen Ausrüstungs- und Uniformteile, die als 'privat' bezeichntet wurden, auf eigene Kosten anschaffen. Also neben einem privaten Taschenmesser auch die Ausgangsuniform, nicht aber Waffe, Kampfanzug, Gasmaske etc. Das war in der Schweiz schon seit der ersten helvetischen Armee 1798 so, dass Offiziere ihre Ausrüstung mindestens teilweise selber beschaffen mussten. Ob dies heute immer noch so ist, weiss ich nicht. Jedenfalls wurden Offiziere auch nicht 'inspiziert', mussten also nicht mehr ihr Ordonanzmesser vorzeigen können.

Jedenfalls mussten die Offiziere also spätestens dann ein neues Taschenmesser kaufen, wenn sie das in der Rekrutenschule gratis erhaltene Messer verloren hatten. Dann kauften sie meistens eines mit Zapfenzieher, um im Felde auch für Trinkgelage gerüstet zu sein. Deshalb nennen wir in der Schweiz alle Taschenmesser mit Zapfenzieher eben Offiziersmesser. So hatte ich dann also als gewöhnlicher Soldat ohne Offiziersrang ein Offiziersmesser in der Hosentasche und ein Ordonanzmesser im Rucksack.
 
Danke daneou,

Super Beitrag zur Aufklärung meiner bisherigen Verwirrung. Und geradezu witzig, dass die Trinkgewohnheiten (Korkenzieher:Wein) der Offiziere namensgebend für dieses weltbekannte Messer werden sollten:hehe:

Abu
 
Also die Namensgebung und die Geschichte dazu hat hier im Büro zu lautem Lachen geführt. Danke für die gute Laune an einem Freitag Nachmittag!
 
Werte Sammelfreunde,
Einen kleinen Teil der Antwort habe ich nun von kompetenter Stelle bekommen. Ich hatte das MHM Militärhis. Museum Dresden angemorst und die haben, entgegen meiner Erwartung, kurz und prägnant geantwortet.

[I]Im Februar 1891 wurde mit Ordonnanzerklärung für alle Soldaten der Schweizer Armee das Soldatenmesser eingeführt.
Andere Staaten folgten nicht, Taschenmesser blieben persönliche Ausrüstung, waren selbst zu beschaffen,
wurden im dienstlichen Gebrauch lediglich geduldet.

Dieser Zustand blieb bis 1975, dann Einführung BW-Taschenmesser.



Gruß
Abu
 
Wow, danke Blackfox, ich denke das ist es. Super deine Hilfe. Nun wirft jede Antwort gleich wieder eine Frage auf: weißt du was die Zahl bedeutet? Nach Links zu Websites schätze ich Gründungsjahr oder Jahr einer Änderung der Firma?
Gruß
Abu
 
....
Nun wirft jede Antwort gleich wieder eine Frage auf: weißt du was die Zahl bedeutet?
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Die haben einfach jeder Schmiede eine Nummer zugeordnet.
Wie oben auf der Seite steht: En général les marques Thiernoises incluent un numéro (Im Allgemeinen enthalten die Marken aus Thiers eine Nummer)
 
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