Entstehungsgeschichte eines Framelocks "Pure Titanium meets Niolox"

painless potter

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Moin zusammen aus dem hohen Norden!

Nachdem Gerd mit seinem erstklassigen WIP seiner Kleinserie ganz stark vorgelegt hat, dachte ich mir ich zeige mal die Entstehungsgeschichte eines Auftragsfolders nach ganz spezifischem Kundenwunsch.

Nachdem besagter Kunde ein Hackmuck bei mir geordert hatte und von dem Messer recht angetan war, äußerte er den Wunsch nach einem Fullframe Linerlock mit massiven Titanschalen und einer rostfreien Klinge. Wir waren uns im Emailkontakt nicht unsympathisch und man merkt dabei ja schnell ob es passt oder nicht.

Nun ist es für den Anwender manchmal schwierig zu entscheiden, inwieweit die individuellen Wünsche technisch realisierbar sind, und nach den groben Vorgaben mußte ich mir erstmal überlegen, ob ich so einen Auftrag annehmen möchte oder nicht. Dem Messermacher kommt es natürlich viel gelegener, eines seiner Modelle zu bauen, evtl. mit einigen Abänderungen, als ein komplett neues Messer zu entwickeln. Letzteres erfordert naturgemäß viel mehr Planung und Entwicklungsarbeit, dadurch einfach viel mehr Zeit.

Und Zeit ist Geld, leider, wobei man aber nicht vergessen darf, das so eine Herausforderung auch eine Menge Spass bringen kann. Also habe ich ja gesagt.

Hier die Vorgaben in Stichpunkten:

Fette Frames aus Titan
Klinge ca. 80 mm, rostfrei und Minimum 5 mm stark
Flipper
Clip
möglichst wenige sichbare Schrauben oder Bohrungen
möglichst alles am Griff aus Titan
Griff möglichst schlank
Klingenform leichter Recurve mit angedeuteter Tantospitze

Es sind eine Menge Mails hin und her gegangen, es wurden Zeichnungen seitens des Kunden gemacht, Gegenvorschläge von mir unterbreitet, wieder verworfen usw. Zwischendurch war ich mal leicht verzweifelt, weil ich das Gefühl hatte, das die Designwünsche nicht vereinbar mit den technischen Bedingungen seien, aber dann nach etlichen Papierschablonen kam langsam ein Resultat, welches leichte Begeisterung aufblitzen ließ.

Die ersten Bilder zeigen mal exemplarisch eines der ersten Entwürfe und den vorläufig finalen Entwurf.
 

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Weil ich selbst skeptisch war, ob diese Griffform überhaupt funktionieren kann, habe ich den Vorschlag gemacht, einen Dummy aus Alu zu bauen, damit hat man zum Einen gleich eine Funktionsschablone und zum Anderen eine 1:1 Modell, mit dem man perfekt die Handlage ausprobieren kann.

Mir war und ist wichtig, dass die Linien stimmen, sowohl offen als auch geschlossen. Die Fingermulde muss durch den Flipperhebel weitergeführt werden, umgekehrt sollte der Flipper sich auch harmonisch in den geschlossenen Griff einfügen.

Dieser Dummy ist jetzt beim Kunden und ich habe ihn gebeten, evtl. Änderungen mit Edding anzumalen, Einige Vorschläge habe ich selbst auf der einen Seite schon mal ausprobiert.

Falls Interesse an der ganzen Story besteht, würde ich die Dokumentation hier weiterführen, oder ebn nur später das Resultat zeigen.

Bis dahin LG

Nils
 

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Hallo Nils,

danke fürs zeigen und der Geschichte dahinter.

Bitte unbedingt fortsetzen,es ist sehr spannend zu sehen wie die Entstehung eines Handmade sich entwickelt,welche Herausforderungen da auf dich zukommen und vor allem wie Lösungen aussehen.

Gruß Carsten
 
Weitermachen, keine Frage! Sehr spannend, obwohl mir das alles sehr bekannt vorkommt... :steirer:

Liebe Grüße,
Gerd
 
Nicht fragen - MACHEN!

Wir wollen die "dirty tricks" vom "schmerzfreien Töpfer" sehen!

Virgil
 
Dirty Tricks? Wohl eher nicht...

Einige kleine Änderungen waren noch erwünscht, so musste die Daumenauflage am Griffrücken weichen und die Zeigefingermulde mußte größer. Daher gingen per mail noch einige Zeichnungen hin und her, die zeige ich aber nicht.

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Ausgangsmaterialien, Platinen in 4 mm und für die Klinge SB1 in stabilen 5,2 mm

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Um den verdeckten Anschlagpin zu realisieren, habe ich mir überlegt, eine Bohrschablone herzustellen, mit der man jeweils auf der Innenseite der Platinenrohlinge eine Sackfräsung (ein Superwort, gibts das überhaupt?) anbringen kann. Die Möglichkeit durchzubohren gibt es ja hier nicht, und auch eine winzige Zentrierbohrung, wie man sie manchmal sieht wollte ich nicht. Ebenfalls kommt ein verschraubter Pin nicht infrage, wäre eine zusätzliche Schraube, die will ich nicht.

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Hier die fertige Bohrschablone. Die Positionen der Bohrungen wurden vom Dummy übernommen, die Achslöcher in den Platinen sind bereits gebohrt und auf 8 mm aufgerieben.

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Die Durchgangsbohrung für die M3 Schraube des Spacers wird mithilfe der Schablone angebracht.

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Mit einem 3,9 mm Bohrer wird nun ein Sackloch von 2 mm

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Mit einem 4 mm Stirnfräser wird der Boden der Bohrung eingeebnet, um dem Anschlagpin ausreichend Halt zu geben. Da die Schalen später gegrooved werden sollen, fräse ich vorsorglich erstmal nicht tiefer.

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Der Anschlagpin wird natürlich auch aus Titan Ti6AL4V gefertigt, ebenso wie die Achse, die Platinen und Dämtliche Schrauben. Kurz erwähnt soll sein, daß sich dieses Material alles andere als toll bearbeiten läßt.

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Der Pin wird mit Übermaß abgesägt

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Und jetzt wieder das leidige Thema, die Drehbank des kleinen Mannes. Ich schaffe es einfach nicht, mir eine zu kaufen, außerdem habe ich auch keinen Platz dafür.

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Auf eine nachgiebigen Unterlage werden die Stirnflächen mit 400er Schleifleinen bearbeitet, sowas geht IMHO schneller als das Ding in eine Drehbank zu fummeln. Und sieht trotzdem sauber aus.



Das ganze Projekt wird wieder ausschließlich mit Hilfe von Bohrmaschine und Bandschleifer entstehen, no milling, nix CNC. Das muss auch so gehen.

Fragen, Anregungen, wenns sein muss auch Kritik immer her damit!
 
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Die Kontur der ersten Platine wird Angebohrt.

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Anschließend werden die Anbohrungen durchgebohrt, die Stege ausgesägt oder einfach abgebrochen und die Kontur am Bandschleifer ausgearbeitet.

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Die erste Platine wird nun mit entsprechenden Passstiften auf dem Rohling für die zweite Platine fixiert und ebenfalls umbohrt.

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Wenn man die Bohrungen perfekt gesetzt hat, lassen sich die Überstände einfach abbrechen, selbst bei 4 mm Titan oder 5 mm SB1.

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Der Klingenrohling hat bereits die Achsbohrung erhalten. Mit der Bohrschablone übertrage ich nun die Position des Anschlagpins auf den Stahl.

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Mit 3,9 mm durchbohren und anschließend mit 4 mm aufreiben.

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Die Klingenkontur wird mit der gleichen Technik ausgearbeitet wie die Platinen. Sicher könnte man das auch sägen oder flexen, ich bohre gern (kein Wunder...)

Jetzt kann man alles montieren und die endgültige Kontur des Messer in ausgeklapptem Zustand herausarbeiten.

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Schöne fette Macke habe ich mir trotz Aluschutzbacken in die Klinge gedrückt, das wird wohl ein Titanspan gewesen sein, der sich im Aluminium festgesetzt hat. Ich denke aber, das ich dort sowieso die Fehlschärfe ansetzen werden, also wird das noch herausgeschliffen. Aber nicht mehr heute.
 
Na das sieht doch schon sehr gut aus, Nils :super:

Der überarbeitet Entwurf bzw. dessen Umsetzung, gefällt mir um einiges besser als das Alu-Test-Teil - der durchgezogene Rücken (geöffnet) war die richtige Entscheidung, imho :super:

Bin mal gespannt, was der Brummer auf die Waage bringt ...

Aber warum platzierst du diesmal dein Logo so eng um die Achse, siehe hier ;):glgl::irre::teuflisch

Weitere Fragen kommen dann passend zum Fortschrittsbericht :D

In freudiger Erwartung (WIP wise!)

Virgil
 
Sehr interessant, danke für die Doku. Vor allem interessant daß mit "normalen" Werkzeugen auch Hightech gefertigt werden kann.
Eine Frage: wie heißen denn die Klemmen die Du verwendest? Bräuchte auch ein paar davon um Griffschalen beim bohren ordentlich zu fixieren.

Danke für Info,
Günther
 
@virgil:

Das ist doch nur symbolisch, die richtige Achse kommt noch.

@günther:

Der Suchbegriff ist "Parallelzwinge" oder "Spannhand", Hersteller z.b. Holex. Gibts bei unseren einschlägigen Lieferanten hier im Forum und auch anderswo.
Ich bevorzuge die beiden kleinsten Größen 25 und 50 für fummelige Kleinteile. Um Griffbrettchen am Flacherl zu fixieren würde ich 50 oder 75 nehmen, die größen Klemmen haben auch größere Backen, die sind dann etwas besser dafür.

lg

Nils
 
Heute ging es noch ein bisschen weiter:

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die Bohrung für den Anschlagpin reibe ich mit plus 2/100 mm auf, das erleichtert die Montage. Die Kontur der Rampe und des Freilaufs mache ich immer ganz zum Schluss, so kann ich die Kontur wie bei einem Fixed bearbeiten.

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Der Anschlag zum Einklappen liegt an der Rampe. Diese Konstruktion schränkt mich beim Design weniger ein. Die Postion wird über eine Bohrung mit der Bohrschablone übertragen.

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Jetzt wird die Rampe im Winkel von ca. 7° angeschliffen, dabei darf natürlich der Anschlag nicht vollständig abgeschliffen werden. Die Bohrung mit so eben noch sichtbar bleiben. Der Klingenrohling ist fein geschliffen bis 400. Kleiner Tipp: Wenn man ein Stück Schleifpapier unterlegt, vermeidet man Kratzer auf bereits fein geschliffnen Werkstücken. Klingt komisch, ist aber so.

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Zwischendurch fertige ich mal den Spacer. Dazu spanne ich ein Stück Titanrund in den Schraubstock und bohre mittig mit 2,6 mm.

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Per Handsäge ablängen, in den Akkuschrauber einspannen und mit Augenmaß am Bandschleifer auf genau 6,0 mm kürzen.

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Gewinde ebenfalls per Hand geschnitten.

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Jetzt kommt die Drehbank für GANZ Arme: in die Bohrmaschine einspannen, eine Rundfeile dranhalten und mit viel Geduld ein Drehteil fertigen.

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DAS nenne ich jetzt mal echte Handarbeit...

Nächste Woche gehts hoffentlich weiter, jetzt ist erstmal Herrenwochenende angesagt!
 
Ich habs oben schon geschrieben und ich schreibs nochmal: schön zu sehen daß es auch mit relativ einfachen Mitteln geht tolle Messer zu bauen und nochmal mehr Motivation für mich das derzeit etwas ruhend gestellte Thema Meserbau wieder zu focieren und auch mal wenigstens einen Frictionfolder zu versuchen.

LG,
Günther

PS: und danke für den Tipp mit den Zwingen
 
Hallo Nils,
sehr schöner WIP.mach richtig Spass dir mal über die Schulter zu schauen.
Ich finde es richtig cool das du dir die Zeit nimmst alles so im Detail zu zeigen.Vielen Dank für die extra Arbeit! Erst Recht schön zu sehen das es auch ohne Hightechmaschinen geht.

Bitte weitermachen.

Gruß Carsten
 
Die Form habe ich noch ein bisschen angepasst, das ist aber eher unspektqkulär.

Es geht weiter mit der Klingenwurzel:

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Der Anschlagbereich wird gefräst. Man kann das auch feilen, aber so geht es schneller und sauberer.

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Die restliche Kontur wird am Bandschleifer bis 320er Körnung herausgearbeitet.

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Die Schneidenmitte reiße ich mit einem Messschieber mit gehärteten Spitzen an. Vorher wird die Schneide mit blauem Edding eingefärbt.

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Da hier es sehr genaue Vorgaben bezüglich des Schliffes diktiert wurden, schleife ich diese Klinge ausnahmsweise nicht frei Hand, sondern mit einer Hilfsvorrichtung. So läßt sich sehr einfach ein schnurgerader Schliff bewerkstelligen.
Das Finish erspare ich euch, ich schleife vor dem Härten bis 600, weil die Klinge später ein Stonewashfinish erhalten soll.

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Die erste Hälfte...
 
So,

hier noch einige Bilder des Rohbaus. Nun kann man schon ganz gut sehen, wie das fertige Messer mal aussehen wird. Jetzt muss nur noch die Bohrung für den Detent gesetzt werden, das geht die Klinge auf die Reise zu Jürgen Schanz zum Härten.

Und ich hab Pause.
 

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Servus,

schön zu sehen daß es auch mit relativ einfachen Mitteln geht tolle Messer zu bauen


"Zitat von Orgelfisch

Erst Recht schön zu sehen das es auch ohne Hightechmaschinen geht.


ich lese hier still und staunend mit, schön zu sehen was geht, wenn man will und kann! :super:

Gruß, güNef
 
Irgendwie hat die Silhouette für mich etwas Wal-artiges. Gefällt mir. Bitte weitermachen :D
 
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