REVIEW: Böker+ Bulldog #561 - Nomen est omen

polaris1977

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Das Bulldog von Böker Plus im Design by Tom Krein lebt jetzt seit gut 2 Wochen bei mir.

Grunddaten gibt es hier:
http://www.boker.de/fahrtenmesser/boeker-plus/outdoormesser/02BO246.html
Gute Bilder gibt es hier, das Reviewe selbst habe ich mir seit längerem nicht mehr durchgelesen um jetzt unbefangen schreiben zu können:
http://www.bladeforums.com/forums/s...er-Plus-Krein-Bulldog?p=13218751#post13218751

Grundsätzlich gefallen mir die Designs von Krein sehr und die Haptik an sich auch, aber das PSK und erst recht das Poket Bowie waren mir als EDCs immer zu mickrig gewesen. Da in meinem ggw. beruflichen Umfeld um den Hamburger Rathausmarkt herum seit längerem ständig Belagerungszustand ist wird mir das Führen eines BM 710 langsam zu dauerstressig. Ich habe daher momentan einen erhöhten Bedarf für ein Fixed als EDC. Da ich nach zufälliger Feststellung von einem noch nicht ganz klaren Diabetestyp und begonnener Therapie in der zweiten Jahreshälfte 2013 wieder gut 17 Kilo zugenommen habe trägt sich das Böker+ Exodus dabei nicht mehr so bequem wie vorher. Jetzt kam noch Amazon-Gutscheine als Prämie daher und da das Bulldog bei mir eh ganz oben auf der Liste stand habe ich neulich zugegriffen.

Kurzreview:
Das Ding heißt Bulldog und so isses auch.


Langreview:

Überblick
Das Bulldog kommt in der mittlerweile wohl üblichen schwarzen Klappdeckelpappbox mit Magnetverschluß und Moosgummieinlage. Macht was her, sollte aber nicht allzu teuer sein. Mir reicht auch ein Simpelkarton völlig, aber ich nehme es gern. Leider hatte sich hier das Messer trotz der Schaumstoffabdeckung aus der Mulde gelöst und hatte die Einlage etwas lädiert. Scheint mir aber eher an unsanfter Behandlung der Packung durch Dritte zu liegen, diesmal hatte ich ja ausnahmsweise mal nicht direkt bei Böker geordert. Ließ sich mit etwas Kleber leicht reparieren und dem Messer hatte das nix getan. Zu ständigen Aufbewahrung ist die Box allerdings eh nur begrenzt geeignet, da die Scheide mit montiertem Clip nicht mehr in die Packung paßt. Ist mit bei einem EDC aber nicht wichtig.

Das Bulldog für seine Ausmaße ein wirklich mächtiges Gerät. Aufgrund des Gewichtes und anderer Angaben hatte ich schon versucht, es mir entsprechend vorzustellen, aber ganz hat das doch nicht geklappt. Das Teil fühlt sich für mich einerseits schwerer an, als es die Zahlen sagen bzw. als andere Messer mit ähnlichem Gewicht. Dabei liegt diese Schwere aber völlig in der Hand, viel mehr, als es die ~2 cm erwarten lassen, die der Schwerpunkt weiter hinten liegt als bei anderen Vertretern der Gewichtsklasse. Beim Bulldog liegt der Schwerpunkt genau hinter der Zeigefingermulde, also im Hammergriff zwischen Zeige- und Ringfinger, statt "vertrauterweise" ~ auf dem Zeigefinger.
Durch den zum Beginn der falschen Schneide hin markant hochgezogenen Klingenrücken und das ausgeprägte untere Parierelement wirkt die Klinge insgesamt viel Größer, als es der Länge nach Zahlen entspricht.

Auf den linken Spiegel der Klinge ist das klassische Böker+-Logo aufgelasert, auf dem Ricasso/Parierelement auf der rechten Seite finden sich die Seriennummer und der 440c-Stempel, das Krein-Logo mit dem Kategoriehundekopf ist zudem hier auf den Anschliff gelasert. Die Laserung wirkt je nach Lichteinfall auf den Bereich der Klinge kontrastierend golden oder anthrazit.

Auf den ersten Blick ist alles sauber verarbeitet, im Detail dann nicht immer, aber dazu später mehr.

Alles in allem gefällt es mir sehr und fühlt sich auch schön an. Letzteres wie bei Fixed üblich in der rechten wie in der linken Hand, was für mich ein Vorteil ggü vielen Foldern mit Clip ist, da ich mir über die Jahre eine möglichst große Beidhändigeit antrainiert habe und Werkzeuge auch gerne und oft mit beiden nutze.

Klinge
Als ich das Bulldog zum ersten mal im Katalogbild gesehen habe, hat mich die Klinge irgendwie an die Guten alten Anaconda-Bowies von Blackjack erinnert. Das trifft auf das Original noch mehr zu.
Zu 440c aus dem Hause Böker oder Böker+ dürfte in diesem Forum alles geschrieben sein.
Die Klinge hat ihre volle Stärke von in der Tat 4,9 mm bis zur Spitze des Spiegels 56 mm vor dem Beginn des Griffes auf dieser Höhe. Durch die breiten und hohlen Anschliffe von echter wie falscher Schneide verringert sich die Stärke dann schnell auf noch ~2 mm etwa 10 mm vor der Spitze, die ihren Namen sehr verdient.
Auf Höhe der Schleifkerbe beträgt die Klingenbreite 31 mm,am Beginn der Schneide 34 mm die größte Breite erreicht sie am Beginn der falschen Schneide mit 39 mm und verringert sich zur Spitze hin auf ~10 mm ungefähr 10 mm vor selbiger. Auf der Höhe der Spitze des Klingenspiegels ist der Anschliff der Schneide ~25 mm breit, der Anschliff der falschen Schneide 6 mm. Der Anschliff der Schneide ist hohl, der der Falschen glaub' ich auch. Aber im Vergleich z.B. zu den alltbewährten Bowieklingen an einem Buck 110 oder 119 wird die viel höhere Breite des Anschliffes beim Bulldogfür einen sehr viel größeren Radius genutzt. Erscheint mir so goldrichtig, zumal ich den praktischen Unterschied zwischen leichtem hohl und Flachschliff bei robusten EDC-Klingen für oft überbewertet halte. Der Verlauf der Schneide ist deutlich konvex, was zusammen mit dem Klingenrückenanstieg zum Beginn der falschen Schneide hin für eine insgesamt für eine seeehr breite Klinge sorgt. Durch die bauchige Form ist die Schneide vom Ende der Schleifkerbe bis zur Spitze echte 89mm(!) lang. Das Parierelement ragt im Vergleich zur unteren Griffschalenecke und der Schleifkerbe ~10mm vor und ist an der "Spitze" breit angefast.
Der Rücken trägt wie schon beim PSK zwei Gruppen von leichten Querrillen. Hier sind es jeweils 11, davon die mittleren 9 etwas tiefer, oder besser weniger flach. Das Profil dieser Rillen ist irgendwie \_/-förmig. Obwohl die nur eine so geringe Tiefe, haben bleiben meine Haut und auch Handschuhe (Leder wie PU) daran regelrecht kleben. Ich bin begeistert, ich habe noch ein so flaches "Jimping" in der Hand gehabt, das so viel Wirkung hatte. Ein tieferes Relief hätte auch nicht wirklich zum Gesamtbild dieses Messers gepaßt.
Das Finish entspricht dem, was man früher als gebürstet zu bezeichnen pflegte. Ist mir für einen User lieber als Poliertes und vor allem als Satiniertes. Ein dunkleres "stonewash"-finish à la Exodus aus gleichem Hause wäre mir in Sachen (Un)Empfindlichkeit noch lieber gewesen, auch wenn die Klinge dann wohl weniger hergemacht hätte. Dafür währe die Bowieklinge in dunkler wohl auch weniger weniger agressiv rübergekommen. Alles in allem für mich aber voll in Ordnung so.

Griff
Mann is der Dickmann!
Für meine Flossen (9erTeller mit 7er Fingern) wäre jeder mm mehr völlig überflüssige Größe & Gewicht gewesen. Der sollte auch wirklich Große Pranken gut füllen. Die G10-Schalen sind aufgenietet, am Griffende mit einer Hohlniete mit 9mm Innendurchmesser als Öse auch für den fettesten Fangriemen. Die Schalen haben einen gleichmäßig-fließend bombierten Querschnitt. Auf Höhe der Nase nach der Mulde für den Zeigefinger erreicht der Griff eine Stärke von 20mm, auf Höhe der Lochniete 15mm. Zum Glück gibt es beim Bulldog mal keine häßlichen Fiberzwischenlagen in Kostrastfarbe (bäh!).
Die Oberfläche ist leicht sandgestrahlt uns wirkt so Anthrazitfarben. Durch die bombierte Form ergibt sich daraus optisch eine schichtholzartige Maserung. Die Kanten der Griffschalen sind so bearbeitet, daß sie irgendwie "stumpf" sind und einen anthrazitfarbenen used-lock haben. im Griffberich geht das Finisch des Vollerls eher in die polierte Richtung. Fühlt sich toll an. Der Übergang von Griffschalen zum Erl ist nicht sicht und kaum fühlbar. In der Zeigefingermulde ist die Anpassung etwas(!) rauher, aber da mag ich das sogar etwas. Die Nieten sind satiniert.

Scheide + Gürtelclip
Es handelt sich um ein Fixed, die Scheide also bekanntlichwesentliche Komponente des Gesamtpakets. Die Kydexscheide mit "ledernarbiger" mattschwarzer Oberfläche hält das Messer sicher und klapperfrei, das Ziehen gestaltet sich bereits ohne viel einlaufen problemlos. Sie weißt oben zum Knick ein schöne abgeschrägte breite Kante auf, die ein tolles Gegenlager für den Daumen bietet, um besonders weich&leise und ggf. auch ohne Befestigung der Scheide mit einer Hand blank ziehen zu können.
Sie hat im Vergleich zum Messer ziemlich kleine Ausmaße, wobei die den Griff trotzdem bis über die erste Niete überdeckt. Sie ist auf der Seite des Messerrückens geknickt und an der Spitze mit 2 sowie 2 weiteren über die Länge der Schneide verteilten Hohlnieten vernietet. Ein Ablaufloch am Ort ist serienmäßig vorhanden.
Die Bauweise hat einen Vor- wie einen Nachteil. Sie trägt natürlich viel weniger auf, als ein rundum vernieteter "pancake" mit im Verhältnis viel mehr Material wie Böker sie z.B. dem MPT oder dem Exodus beilegt. Das hat grade beim Tragen IWB Vorteile. Dafür scheinen mir allerdings die Befestigungsmöglichkeiten an Trägersystemen sehr begrenzt, bei Schnürungen sieht es mit der einseitigen Vernietung noch mauer aus.
Dem Bulldog liegt kein großer Teklock mehr bei sondern ein etwas anders gestalteter mit Böker+ gelabelter Gürtelclip. Ob der nun besser oder schlechter ist, kann ich irgendwie (noch?) nicht wirklich sagen, da sich Vor- und Nachteile irgendwie die Wage halten. Der Clip ähnelt einem großen Teklock, ist aber vielmehr ein Clip mit Zusatzfeatures. zunächst einmal ist er ein Clip für Gürtel o.ä. bis 7 cm Breite, dessen Rückseite (d.h. der Lochplatte gegenüberliegende) am unteren Ende umgebördelt ist und so fast wie eine Gürtelschlaufe benutzt werden kann. Diese Rückseite hat des weiteren noch zwei Schlitze über die ganze Höhe. In diesen ist mit einer Schraube pro Schlitz ein Querriegelsteg befestigt, der so über die Höhe verschoben werden kann. Der Riegel ist auf der einen Seite flach, auf der anderen Seite L-Förmig. Man kann ihn nach Lösen der Schrauben drehen und so an dickere oder dünnere Gürtel o.ä. anpassen. Durch verschieben in der Höhe läßt sich der Clip auch an die Breite von Gürteln o.ä. anpassen, ähnlich wie mit den versetzbaren Riegelstegen an einem großen Teklock. Hier ist dann auch mein Problem: Den großen Teklock kann ich mit den beiden Riegelstegen schnell und ohne Werkzeug in der Breite verstellen, kann die Sitzhöhe des gesamten Teklocks nach oben oder unten verstellen und kann sogar aktuell nicht benötigte Stege im Teklock mitführen. Das ist für mich sehr hilfreich, da ich oft zwischen Gürteln von 4, 4,5 und 5 cm Breite wechsel und Hosen mit unterschiedlicher Bundhöhe und anderem Schnitt trage. Beim Böker-Clip muß ich dafür erst Schrauben lösen, und zwar Torx(!). Da bleibt dann nur eine Kompromisseinstellung´. Dafür ist der der Böker-Clip etwas flacher und beitet weniger "Haken und Ösen". Vor allem der Sicherungsriegel am großen Teklock lößt sich bei mir gerne, wenn IWB-getragen. Dafür ist der von Böker breiter und vor allem höher. Er bietet aber auch 2 Löcher mehr, was entscheidend sein wird, aber dazu später.

Verarbeitung zusammengefaßt
Wie ich es bei Böker+ gewohnt bin: Soweit ordentlich und in funktionsrelevanter wie haptischer Hinsicht (fast) völlig OK. Im Detail allerdings mit einigen Abstrichen.
Die Anschliffe, aber vor allem die Scheidfase und die Fasungen des Parierelementes sind alle im Detail ein bißchen unregelmäßig. Die Schleifkerbe ist nicht rund sondern etwas unregelmäßig aufgeführt und die rechte Griffschale liegt im Bereich der Innenkante nicht sauber auf dem Ricasso auf und ist etwas(!) ausgefranst. Diese beiden Details haben sogar eine gewisse Funktionsrelevanz hinsichtlich Verschmutzung bzw. Reinigung. Leider läßt sich das mit der Griffschale auch schwer selber beheben, weil die ja nicht verschraubt sondern vernietet sind. Das gilt nicht für eine kleine Macke der rechten Griffschale am Übergang zum vorderen Nietkopf.
Für mich ist das so OK, vor allem bei dem Preis. Das gute Stück ist mir leider auch schon nach wenigen Tagen verunfallt. Beim Auschlag mit der hinteren Kante der Griffschale auf eine Fliese hat sich ob des hohen Gewichtes eine kleine Macke im G10 gebildet. Die habe ich dann etwas verundet und gefärbt, so daß sie nicht stört und man sie kaum sieht. Sowas kommt bei jeden EDC-User irgendwann, bei makelloser Verarbeitung würde ich aber bei ersten Ditscher trotzdem viel mehr leiden. Also eigentlich alles gut so. :glgl:
Die Scheide insgesamt wirkte auf mich leider etwas sehr lieblos verarbeitet, ganz besonders das Abflußbohrloch und die gratigen Kanten am Mund. Vor allem letztere störten funktional erheblich, da sich die Schneide mein lässigen Wegstecken leicht im Rand festfrist und in Verbindung mit dem konkaven Rückenprofil der Bowieklinge schnell eine schöne Kerbe in die Kante des Scheidenmundes schneidet. Die Grate konnte ich mit Bordmitteln genauso leicht leicht beseitigen wie die Bohrspuren im Drainageloch. Leider hatte ich die Grate zu spät bemerkt und die Scheide schon "im Felde" anbenutzt mit resultierenden Kerben. Das ließ sich zwar auch hinkriegen, aber natürlich nicht so schön, als wenn ich vorher präventiv Hand angelegt hätte.
Ich nehme solche Detailprobleme zugunsten des Preises immer gerne hin, das kann aber halt zu Problemchen führen, wenn die Lieferung grade an einem eher ungünstigen Tag erfolgt und man nicht die Geduld hat und trotzdem gleich schon mal anbenutzen/antragen muß. Man sollte sich halt möglichst gründlich Zeit zum Prüfen und ggf. Handanlegen nehmen.:steirer:
Die Klinge war out of box sauscharf und bleib es bisher nach einigen Streifen über den Lederriemen auch.:livid:
Wem die Qualität nicht reicht oder wer verzweifelt Geld durchbringen muß, kann ja mal bei der Customvariante nachsehen.:haemisch:


Handling, Führen, Benutzen
Das Teil liegt schön in der Hand und hat eine Balance, die zum Profil und den von der Ergonomie induzierten Bewegungsabläufen toll paßt.
Der Griff ist klar auf Hammer- und Fechtgriff hin optimiert und ist dabei dann auch höchst bequem und ermüdungsfrei. Viel hilft hier viel. Im Fechtgriff diffundiert das Messer regelrecht in die Hand, auch dank der toll positionierten und wirkenden Rückenrillen am Daumen. Die breite und sehr bauchige Klinge eignet sich besonders für schnell gezogene oder geschobene Schnitte aus dem Handgelenk und dazu paßt die Balance mit zurückliegendem POB toll.
Reverse-Grip und diverse "verkürzte" Griffe mit der Schneide nach oben oder unten gehn auch ganz gut, aber halt nicht ganz so toll wie bei Griffen mit weniger Masse und komplexerem Profil wie z.B. mal wieder dem Exodus. Die Köpfe des vorderen Niets könnten dafür auch etwas rauher oder irgendwie mit einer leichten Fischhaut versehen sein um besseren Halt zu geben, wenn man mit einem Finger drauf liegt. Die Satinierung der Nietköpfe hilft da aber immerhin schon etwas. Ansonsten wären an einem so üppigen Griff zusätzliche Jimpings oder Details überflüssig und würden nur die Produktionskosten erhöhen und den Reinigungsbedarf erhöhen.
Für ziehendendes Schneiden von Steaks ist die Klinge natürlich geometriebedingt tauglicher als für Druckschnitte an reifen Tomaten.
Da die Spitze doch recht schlank ist würde ich trotz der insgesamt sehr massiven Bauweise beim Hebeln nur mindestens 50mm unterhalb der Spitze auf Spiegelhöhe der Klinge ansetzen. Dann sollte das Ding aber ne Menge aushalten und der Hebel ist durch den langen Griff auch immer noch lang genug. Für Verwendungen als Spaten, Spaltaxt usw. sind Bowieklingen an sich suboptimal und diese trotz der Materialgrundstärke wegen der breiten Hohlschliffe wohl auch.

Die Griffschalen sind trotz der nicht aggressiven Oberfläche griffig und bleiben es auch in nassem Zustand. Rauher möchte ich es bei einem EDC für eher urbane Umgebungen nicht haben. Für Outdoor, Survival oder EDC läßt sich da bestimmt mit einem Lanyard oder einer Fangschnur viel mehr Griffsicherheit und Kontrolle schaffen. Bei EDCs mit vollwertigem oder großem Griff, seien es Fixed oder Folder, verzichte ich aber immer gern auf das Gebamsel.

Getragen habe ich es bisher wie bei EDC-Fixed üblich IWB auf 4-5 Uhr und teilweise OWB Cross-Draw auf 9 Uhr. Dabei habe ich das Bulldog wie üblich schräg an den Clip montiert. Hier habe ich dann trotz der Nachteile hinsichtlich der Schnellverstellung aus wechselnde Gürtelbreiten den Böker-Clip gewählt. Bei diesem läßt sich nämlich die Scheide des Bulldog durch die beiden Zusatzlöcher etwas steiler stellen (~5°?) als beim Teklock und zudem etwas tiefer zur Oberkante des Gürtels anbringen. Da der Schwerpunkt des grifflastigen Bulldog außerhalb der Scheide und hoch liegt gleicht das den insgesamt etwas labileren Sitz mehr als aus, vor allem IWB. Vielleicht fällt mir ja irgendwann noch mal was ein, wie man Scheide oder Teklock so modden kann, daß das besser paßt als die jetzige Variante.
Auftragen tut das Bulldog trotz des üppigen Griffes bei mir so nicht, vor allem IWB. Ein Polohemd drüber reicht.

In der Hosen- Bein oder sogar der A****tasche einer weiten Cargoshorts oder in der Pattentasche am Duster läßt sich das Bulldog hilfsweise auch ganz gut lose tragen und ziehen, da hilft dann der großflächige Clip sogar um es stabil und schräg in der Tasche zu fixieren.
So wie die Hohlnieten am Ort placiert sind, könnte man das Bulldog auch als (Steer-)Knecknife tragen. Als Bootknife wäre es ob der Grifflastigkeit und der Griffstärke denkbar ungeeignet. In ein AF-Schulterholster von Böker müßte es ob der schmalen Scheide eigentlich auch gut reinpassen.
Bei festen 9cm Klingenlänge muß man beim Führen des Bulldog bis auf weiteres so wenig Gedanken an waffenrechtliche Aprilscherze verschwenden wie Bulldoggenhalter an rassenhassmotivierte Hundegesetze . Ggf. könnte es noch hilfreich sein, daß der Desinger kein (Ex-)Kommandokämpfer, Geheimdienstkiller oder Krimineller ist sondern Ex-Sani.:super:

Fazit
Ein absolut preiswerter EDC-User der viel Spaß macht. Viel mehr Material kann man in feststehenden nominellen 9cm Klingenlänge kaum sinnvoll unterbringen und auch nicht viel mehr Schneide raushohlen. Für urbane Verwendung ausreichend überdimensioniert. Für sonstige Zwecke stellt sich jenseits des Bulldog wirklich die Frage, ob mehr cm bei der Klingenlänge dafür wirklich einen lohnenden Vorteil bieten. Bei manchen sicherlich, bei vielen wohl eher nicht (mehr?).

mfG
Immo

 
Last edited:
Hallo polaris1977,
danke für das Review, das gleich Lust auf Befingern gemacht hat. :super:

Einziges Manko: Bilder, Bilder ... :hehe: Nein im Ernst, ein paar Detailfotos würden deine detailreiche Beschreibung noch anschaulicher machen.

Gruß Th.
 
Ich arbeite dran, aber grade für Detailphotos braucht man Können und Equipment.

Das einbauen der Bilder is hier auch kompliziert, ich kann mich das noch gut an das Exodus-Review vor 2 Jahren erinnern :ambivalence:
 
Bilder

Ich habe mich bemüht, hoffentlich klappt es:

Erstmal eine Delegation des lokalen Bowie-Clans:
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cynogene These und Antithese: Bulldog vs. Mini-Pitbull
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Folder vs Fixed - 10cm vs. 9cm:
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EDC-Vergleichsbetrachtungen mit Bildern

GroteFoto-YIBIL4XY.jpg


Mir ist die Tage noch aufgefallen, daß Bulldog und Exodus mit gemessenen 270g vs 268g fast exakt das gleiche Gewicht aufweisen. Die Gesamtlänge differiert mit 20,4 zu 21,6 cm ebenfalls nicht allzu stark. In Verbindung mit den diametralen Designkonzepten scheint mir das ein guter Grund zu sein, um die beiden Teile mal direkt zu vergleichen, zumal sie ~50% meiner EDC-Rotation darstellen.

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Die Klinge des Exodus ist bekanntlich fast 2 cm länger. Die maximale Breite ist fast gleich, vor allem wenn man die Daumenrampe des Exodus zum Griff "zählt". Der Materialgehalt in diesem Rahmen ist jedoch höchst unterschiedlich. Die Klingenstärke an sich ist ähnlich. Beim Bulldog ist die Klinge aber nicht nur kürzer und die Spitze schlanker, sondern die Anschliffe sind breiter und deutlich konkaver. Beim Exodus bringen die Gestaltung von Daumenrampe und Guard viel Masse mit, auch weil dies den Bereich der maximalen Klingenstärke betrifft. Die Schneidenlänge ist beim Exodus nur 1 cm länger, wobei gut 1/3 davon zustande kommen, daß das Design hier keine Schleifkerbe enthält. Die Schneide biegt sich am Exodus weiter zur höher gelegenen Spitze hoch. Beim Bulldog ist sie aufgrund der konvexen Linienführung in den hinteren 2/3 der klinge bauchiger.
Schneiden tun sie beide gut, die hohlere Bowieklinge ist natürlich der etwas besser Slasher als die Brechstange.
Die Daumenrampen gehen ihre Funktion ebenfalls von gegensätzlichen Punkten her an: Die lange am Bulldog ist wenig markant in die Gesamtform der Klinge integriert und steigt wenig konkav leicht an. Die Riffel sind wenig erhaben, aber scharf und es gibt zwei Zonen davon. Die kurze Rampe am Exodus beginnt zwischen den Griffschalen und ist sehr markant, steigt schnell und stark konkav an und hat eine grobe, aber weiche Riffelung. Die Vorderseite der Rampe bildet stark konkav einen weiteren Lagerpunkt für Fingerspitzen bei bestimmten Griffhaltungen.

Während die Klingen also in ähnlichem Rahmen sehr unterschiedlich sind, ist die Griffgestaltung insgesamt diametral.

Während das Exodus im Gesamtbild eher eine Klinge mit einem Griff ist, stellt sich das Bulldog mehr als Griff mit einer Klinge dar.

GroteFoto-3KDNAWII.jpg


Aus dieser Perspektive wird das besonders deutlich. Hier fällt auch auf, daß die Stärke der Fulltangs zwar ähnlich ist, das Volumen aber enorm abweicht. Die Menge des enthaltenen Stahls kann ich nicht sicher beurteilen, da die Griffschalen am Bulldog festgenietet sind. Beim Exodus hat der Tang lediglich 2 Bohrungen für die Schrauben und den Schlitz. Viel mehr Luft kann sich im inneren des Bulldog aber ob des Gesamtgewichtes eigentlich nicht verbergen.
Was die Dicke und Konvexität der Griffschalen angeht, spricht das Bild wohl für sich.

Der "kalottenförmige" Griff des Bulldog setzt erfolgreich auf des Prinzip, daß Viel auch viel hilft. Der lange, dicke Griff kommt abgesehen vom Guard eigentlich ohne prägnante Punkte aus. Es wirkt grade in Standartpositionen wie in die Hand gegossen und greift sich auch in irgendwelchen anderen Handhaltungen immer irgendwie gut und angenehm. Es ist aber halt auch lang & schwer und trägt auch entsprechend auf.
Der Griff des Exodus spart hingegen konsequent an Länge, Masse und Volumen. Wie ich ja seinerzeit im Review schrieb, wird das aber durch eine geniale Linienführung und viele kleine Details bzw. Fingerwiderlager aufgewogen. Hier wird dann viel Volumen und Gewicht gespart und das ganze trägt im Verhältnis zur Gesamtgröße wenig auf.
Das G10 am Bulldog ist im Lieferzustand bereits deutlich rauher, als das von mir aufgeraute G10 des Exodus. Dafür sind bei letzterem die Kanten Schalen serienmäßig kaum angefast und leicht überstehend Konturiert, während die des Bulldog bündig abschließen und überall verrundet oder angefast sind. Beides hat für mich im Gesamtbild toll hin. Der dicke Griff mit den rauhen Schalen greift sich schön und sieht gefälliger aus, durch die im Vergleich auffälligere Maserung sogar holziger. Beim Exodus hatte ich bei einem EDC kein Bedürfnis, das G10 weiter aufzurauchen oder gar zu grooven und habe die Kanten sogar etwas angefast. Der glattere Griff funktioniert wegen der vielen kleinen und markanten Angriffspunkte im Design auch so gut.

Die Balance differiert natürlich auch entsprechend. Liegt der Schwerpunkt beim Exodus genau in der Zeigefingermulde, so liegt er beim Bulldog noch leicht hinter der Nase hinter der Mulde. Passenderweise ist aber hier auch die dickste Stelle des Griffes, im Bild sichtbar an der "Maserung" im G10. Das Gefühl in der Hand ist dementsprechend auch völlig unterschiedlich, wobei ich keines wirklich bevorzugen würde. In der Hand konzentrierte Masse auch der einen und Hebelwirkung auf der anderen Seite fühlen sich im Ergebnis für mich gleich schwer an, so wie es die Waage ja objektiv auch sagt. Finde ich bemerkenswert.

Die Scheiden weichen dann trotz eines geringen Unterschiedes bei Gesamtlänge und maximaler Klingenbreite auch deutlicher ab, als es die Zahlenwerte der Messer indizieren.

GroteFoto-46D4SVTU.jpg

Die des Bulldog ist insgesamt deutlich mehr auf Figur geschnitten und nutzt die "hohlere" Geometrie der Klinge zur Verringerung der Gesamtgröße aus. Bei der Scheide des Exodus hatte ich schon bei meinem Review damals angemerkt, daß man hier imo etwas sehr großzügig mit dem Material war. Im Vergleich würde ich sagen, daß ich einen Kompromiss aus beiden Varianten vorziehen würde. Bei der einen ein paar mm weg und bei der anderen ein paar mm und vor allem zusätzliche Hohlnieten dazu. Oder in beiden grundsätzlich 2-3 Nieten mehr. Wer seine Fixed lieber ohne Gürtelclips in Taschen oder angebunden oder sonstwie trägt, wird das ggf. anders sehen.
Das Kydex beim Exodus erscheint mir haptisch irgendwie "weicher", aber starrer und greift das Messer daher "saugender". Das Bulldog wird von härterem, aber federnder erscheinendem Kydex mehr "gekrallt". Der Ton ist deutlich anders. Irgendwie wirkt das Kydex bei der Exodusscheide dicker, was aber laut Schublehre nicht der Fall ist.
Der Exodusscheide fehlt serienmäßig ein Ablaufloch, dafür besteht kaum sonstiger Nachbearbeitungsbedarf

GroteFoto-KODLBIOL.jpg

Beim Bulldog sitzt der Schwerpunkt weit außerhalb der Scheide. Diese läßt sich auch nur insgesamt höher zum Gürtel montieren. Daher und in Verbindung mit dem längeren Griff trägt das Bulldog trotz der etwas kürzeren Gesamtlänge und der "hautengen" Scheide bei mir nicht weniger auf als das Exodus, sowohl IWB als OWB. Dazu sitzt es auch etwas unruhiger, grade wenn man es nicht 90° sondern etwas schräg zum Gürtel trägt. Das läßt sich zwar ausgleichen, z.B. durch einen weiter außen montierten Teklock, aber dadurch nähert sich der Gesamtkomplex mit seinen Außenmaßen wieder stark dem größeren Beherbergungskomplex des Exodus an. Ein Vorteil der kleineren Scheide und der höheren Befestigung ist natürlich, daß man so weniger leicht mit dem Ort irgendwo anstößt oder hängenbleibt und das Bulldog wird auch durch kürzere Oberbekleidung vollständig abgedeckt, falls das wichtig erscheint.

FAZIT:
Viele Wege führen nach Rom. Hier kommen beide an und welcher der bessere oder schönere ist, kann ich nicht sagen, es hängt letztlich temporär von sonstigen und externen Faktoren ab und die wechseln bekanntlich. Die Auswahl von EDCs war uns ist für mich die Suche nach eierlegenden Wollmilchsäuen und dem entsprechen diese diametral herangehenden Varianten im Ergebnis einfach saugut.
Frappierend wird hier imo deutlich, wie wenig die Zahlen zu Klingen- und ggf. noch Gesamtlänge letztlich über Messer aussagt. Das gilt vermutlich besonders für Fixed, bei denen die Designmöglichkeiten von Griff und Klinge weiter und weitgehend unabhängig voneinander sind und die Scheide als zusätzliche Komponente und hier mit Wechselwirkung zu jeweils beiden mitspielt.
 
Last edited:
Danke für dein Review, polaris1977. Es ist wirklich toll geschrieben und auch obwohl ich im ersten Beitrag die Bilder vermisst habe, konnte ich mir richtig gut vorstellen, was du mit dem geschriebenen ausdrücken willst. Die später ergänzten Bilder sind dann natürlich das Sahnehäubchen - top!

Ich nenne ein Böker Plus Sidekick ebenfalls aus der Feder von Tom Krein mein Eigen und bin so begeistert, dass ich im Moment mit dem Bulldog liebäugle. Dein Review hat mich zumindest mal weiter darin bestärkt :)
 
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