Den Härtevorgang über mehrere Tage ziehen?

andy huppert

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Als erstes: ich bin absoluter Laie, sollte meine naiv gestellte Frage also bei den Fachmännern Kopfschütteln hervorrufen, bitte einfach nicht antworten :hmpf:

Ich habe vor einigen Tagen, entweder war es in einem amerikanischen Forum oder auf einer englischen Messermacher-Seite (ich finds beim besten Willen nicht mehr und kann mich auch nicht mehr an den Zusammenhang erinnern) gelesen, dass wenn der Härtevorgang an einer Klinge mehrmals wiederholt wird und zwischen den einzelnen Vorgängen eine größere Ruhezeit der Klinge liegt, die Ergebnisse in Bezug auf Zähigkeit und Schnitthaltigkeit merklich verbessert werden, da das Gefüge dichter werden soll (das war der ungefähre Wortlaut).
Meine einfache Frage: stimmt das und wie merklich sind die Unterschiede wenn ich eine Klinge einmal oder z.B. viermal behandle?

Vielen Dank
Andi
 
Hi,

verwechselst du da etwas mit dem scharfen Normalisieren?
Nutze doch mal die SuFu und ziehe dir die Beträge über Wärmebehandlung.

Gruß
Reiner
 
Last edited:
Hallo Andi,
stichworte für die Suche sind hier Mehrfachhärten und scharfes normalisieren und sie wirken relativ ähnlich.
Was die Pausen dazwischen bedeuten sollen ist mir nicht ganz klar, evtl ein Umwandeln des Restaustenits.
Wüsste aber nicht das das so lange dauert, auch sollte es eh beim Anlassen im Zuge eines erneuten Erwärmen umgewandelt werden.

Das Gefüge wird nicht dichter sondern feiner/homogener und der erreichbare Nutzen richtet sich nach der vorherigen Behandlung.
Schleifst du dir dein Messer aus bereits ordentlich gehärteten Kreissägeblättern/Feilen und härtest danach neu, ist der Effekt von Mehrfachhärten wahrscheinlich eher überschaubar. Hast du aber Feuergeschweißt, häufig erhitzt oder sogar überhitzt, bei gleichzeitig geringer Umformungsrate, kannst du damit einiges wieder gut machen.
Auch wenn der Stahl nicht ordentlich vorbereitet aus dem Stahlwerk kommt kann es etwas bringen.

Grüße,
Eisenbrenner
 
Hallo,

meint ihr damit einen bestimmten Stahl oder Stahl allgemein? Zum Beispiel bei Kohlenstoffstählen, hätte ich da bedenken wegen der Entkohlung/Aufkohlung.

Grüße knifefaan
 
Hi knifefan,

gerade C-Stähle sollten normalisiert werden, weil nur mit feinem Korn feine Schneiden enstehen können.
Das mit dem Auf-/Abkohlen lässt sich vermeiden, indem die Klinge eingepackt wird (Schutzlack, Lehm usw.).

Gruß
Reiner
 
Hallo Andy ,
Sinn gibt das Ganze eigentlich nur ,wenn du Härtevorgang mit anlassen übersetzt.
Mehrfaches anlassen auch über Tage versetzt ergibt eine höhere Zähigkeit.
Simpel gesagt , anlassen kannst du nie genug.
Vorausgesetzt du hast sachgerecht gehärtet.
gruss fritz
 
@Fritz
Sehr interessant, wieder was gelernt! Ist der Nutzen wirklich spürbar?


Hallo,
meint ihr damit einen bestimmten Stahl oder Stahl allgemein? Zum Beispiel bei Kohlenstoffstählen, hätte ich da bedenken wegen der Entkohlung/Aufkohlung.
Grüße knifefaan

Ich bin eigentlich gerade von C-Stählen ausgegangen. Beim 1.2210 z.b. ist die Schmiedetemperatur (lt. Stahlschlüssel) mit 1050-850°C deutlich über der Härtetemperatur und schon im unteren Bereich sollten bereits alle Karbide gelöst sein.
Haltezeit ist hier nicht erforderlich, bei der Kohlenstoff wandert oder verloren geht.
Auch bleibt vor der Wärmebehandlung noch zusätzlich etwas stehen.
Ich glaube nicht das man hier etwas falsch macht.

Aber auch über das Thema findest du sehr viel mit der Suche.
 
Last edited:
Hallo Eisenbrenner,
fairerweise muss ich sagen das es dafür nur gesicherte Erkenntniss in der Industrie gibt.
Die Schwingdauerfestigkeit wird erhöht , des gleichen die Biegewechselfestigkeit, all
die Sachen die mit einer Wöhlerkurve meist dargestellt werden.
Zähigkeit im allgemeinen.
Unser Spezialist Koll. Gerfin könnte wahrscheinlich auch noch die Literaturstellen zitieren ,
ich müsste erst suchen.
Aber was für hochbeanspruchte Industrie Sachen Berechtigung hat , kann ja im
Messerbau nicht falsch sein.
So nehme ich das mal als Axiom.
tschüss fitz
 
Welchen Artikel Andy gelesen hat, weiß keiner. Es ist daher schwierig, über den Inhalt und die Richtigkeit der Ausführungen zu spekulieren.
Andy hat den Inhalt aber so präzise wiedergegeben, daß ich nicht daran zweifele, daß dort tatsächlich ausgeführt wurde, daß mehrfaches Härten und dazwischen tagelanges Liegenlassen besonders günstige Gefügezustände einstellen soll.

Ähnliches habe ich auch schon gelesen, allerdings mehr aus der Reklameabteilung amerikanischer Messermacher.

Fritz und Eisenbrenner haben Überlegungen eingebracht, was hinter der Vorstellung stecken könnte.
Dem ist an sich wenig hinzuzufügen.

Zum besseren Verständnis:

Mehrfaches langfristiges Anlassen:

a) Vor dem tatsächlichen Gebrauch.
Hier kann man sagen, daß die günstige Wirkung allein auf einem Spannungsabbau beruht. Gefügeumwandlungen-etwa Restaustenit-Martensit- spielen sich temperaturabhängig relativ schnell ab. Ist der der Anlaßstufe entsprechende Zustand des Gefüges einmal erreicht, tut sich in überschaubaren Zeiträumen nichts mehr.

b) Nach dem Einsatz im Gebrauch.
Dies ist eine andere Situation. Im tatsächlichen Einsatz von Werkzeugen bauen sich Spannungen auf, die das Gefüge schwächen können.
Zusätzlich kann durch massive Druckbeanspruchung auch eine Gefügeänderung eintreten, noch vorhandener Restaustenit kann beispielsweise in Martensit umwandeln. Da dieser neue Gefügebestandteil nicht angelassen ist, kann er die Zähigkeit beeinträchtigen. Zur Verbesserung dieses Gefüges ist es sehr sinnvoll, nach einer gewissen Zeitdauer des Gebrauchs erneut anzulassen. Meist bleibt man dabei etwas unter der ursprünglichen Anlaßtemperatur, da es ja nur um Spannungsabbau und das Anlassen neu gebildeten Martensits geht.
Diese Maßnahme kann sehr wohl für die Lebensdauer des Werkzeugs entscheidend sein. Prozentuale Angaben über die Verbesserung sind allenfalls aus der konkreten Erfahrung heraus möglich, da das für jedes Werkzeug und jede Beanspruchung unterschiedlich ist. Bei einer Blechstanze aus 1.2436 ergab sich an der Schneidkante nach längerem Gebrauch beispielsweise eine Härte von 80 (!!!) HRC. Bevor hier falsche Hoffnungen geweckt werden-eine solche Härte ist technisch nicht nutzbar, da das Werkzeug alsbald ausbröckelt.

Bei Messern haben wir die Situation, daß sich durch Druckbeanspruchung in der Schneide Spannungen aufbauen und Restaustenit umgewandelt wird, eher nicht.
Erneutes Anlassen nach jahrelangem Gebrauch müßte auch auf das Griffmaterial Rücksicht nehmen.

Langanhaltendes Anlassen bei mäßigen Anlaßtemperaturen ist sicher günstig, Wunder darf man sich davon aber nicht erwarten.

Mehrfach Härten:

Die Gefügeänderungen bei mehrfachem Härten sind am besten in einer amerikanischen Studie dargestellt, in der Gefügeaufnahmen nach einer Vielzahl unterschiedlichster Wärmebehandlungen zusammengestellt sind.
Die Untersuchung beschränkt sich im wesentlichen auf Kohlenstoffstähle.

Verfasser und Titel des Werks sind mir entfallen-bzw. ich habe sie mir gar nicht erst gemerkt, weil sie letztlich für mich nichts Neues brachten.
Roman hatte das Buch ausgeliehen und mir zur Verfügung gestellt. Wenn Interesse besteht, kann ich über ihn die Quelle ausfindig machen.

Im Prinzip kann man hier aber schlicht unterschreiben, was Eisenbrenner schon ausgeführt hat:
Perfekt vorbehandeltes Material braucht keine Doppel-Tripel- Quadripel oder überhaupt vielfache Härtung, Material, dem man wegen der Vorbehandlung nicht traut, kann aber durch Mehrfachhärtung oder Normalisieren entscheidend verfeinert werden.

Tagelanges Liegenlassen zwischen mehrfachen Härtebehandlungen macht überhaupt keinen Sinn.

Fall 1- tagelanges Liegenlassen ohne Anlassen würde den Restaustenit stabilisieren-das macht nichts, wenn sowieso neu austenitisiert wird- birgt aber die Gefahr, daß im gehärteten, nicht angelassenen Gefüge Risse entstehen. Zudem ist das nur gehärtete, nicht angelassene Gefüge beim erneuten Erhitzen besonders rißempfindlich.

Fall 2- tagelanges Liegenlassen nach Härten und Anlassen- besser als Fall 1- was soll aber in der Liegezeit günstiges geschehen ?.

Fall 3- tagelanges Anlassen zwischen erneuten Härtevorgängen- Zeitverschwendung: Entscheidend für das Gefüge ist der Zustand vor und nach der letzten Härtung. Ist das Gefüge nach der vorletzten Härtung fein, so wird es das nach erneuter richtiger Härtung auch sein. Gehärtetes Gefüge muß aber unter allen Umständen vorsichtig neu erwärmt werden. Ob es dabei vorher stunden- oder tagelang angelassen wurde, macht keinen Unterschied.

Daß Mehrfachhärten oder auch mehrfach scharf Normalisieren vorsichtig und mit Verstand durchgeführt werden müssen, muß wohl nicht eigens betont werden.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
ich habs gefunden, nachdem mir der Zusammenhang wieder eingefallen ist. Einige Leute haben auf bladeforums.com für ihre Fehrman-Messer geschwärmt, wie unglaublich lange sie scharf bleiben und wie unglaublich zäh sie sind.
Als interessierter Laie habe ich dann auf der Seite von Fehrman das hier gelesen:

"We sometimes refer to our steel as "F3V". F3V is the combination of CPM-3V and our own "involved" heat treat and manufacturing processes. We pre-treat, manufacture the knife, post-treat, heat treat, then begin a multi-day tempering process. Our own heat treat method combined with a machining strategy that reduces manufacturing "stresses", as well as procedures that do not raise the blade's temperature above room temperature during manufacturing are all part of the recipe that makes up F3V!"

Das hat mich zu der Frage geführt. Vielen Dank, wie immer, an Herr Gerfin für das anschauliche und ausführliche Erklären.
 
Na ja !-Mit meiner Vermutung, was in der Anpreisung gestanden haben könnte, lag ich falsch.
Es ging hier wirklich-wie Fritz angenommen hat- um langfristiges Anlassen.

Da es hier um einen hochlegierten CPM-Stahl geht, gelten für das Anlassen =tempering besondere Regeln. Was genau die Kameraden machen, sagen sie natürlich nicht. Bei dem verwendeten Stahl käme sowohl ein "gemütlich entspannendes" Anlassen, wie auch ein Anlassen im Sekundärhärtemaximum in Betracht.
Der Stahl selbst ist als relativ niedrig legierter PM-Stahl (in Relation zu üblichen PM-Stählen) zäh und durch die Vanadiumkarbide verschleißfest.
Ein Wundermaterial ist er aber sicher nicht. Rasiermesser z.B. würde ich daraus nicht machen, für ein Jagdmesser wäre er aber gut geeignet.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
Hallo,

kann es sein, dass es sich bei dem beschriebenen Prozess um das handelt, was unter "künstlichem Altern" bekannt ist? Im Stahlschlüssel müsste dazu eine Erklärung stehen; hab den gerade nicht zur Hand. Und wenn da nicht, dann bei Rapatz (ist auch grad nicht zur Hand…)

Gruß,
hobbit
 
Altern ist in der DIN 17 014 wie folgt definiert:" Einmaliges oder wiederholtes Halten bei mäßigen Temperaturen über oder unter der Raumtemperatur, um beschleunigte Eigenschaftsänderungen herbeizuführen (künstliches Altern), die sich z.T. bei Raumtemperatur erst nach längerer Zeit einstellen (natürliches Altern)".

In der Praxis wird die Technik eingesetzt, um bei Meßwerkzeugen (Endmaßen) Dimensionsstabilität zu erreichen.
Gängige Verfahren sind: Halten für ca. 200 Stunden auf 120 Grad für unlegierte und leicht legierte Stähle und ca. 500 Stunden bei 150 Grad für hoch legierte Chromstähle.
Tiefkühlung in flüssiger Luft kann zur Zersetzung des Restaustenits eingesetzt werden und trägt damit zur Dimensionsstabilität bei.

Zur Verbesserung der Eigenschaften von Messerklingen ist Altern keine Alternative. Die Behandlungstemperaturen lägen weit unter dem für die Zähigkeitssteigerung Sinnvollen.
Hier handelt es sich zudem um einen hochlegierten PM-Stahl, der bei den Temperaturen des Alterns noch kaum reagieren würde.

Eine dem Altern im Temperaturbereich ähnliche Wärmebehandlung wurde (wird ?)für Ziehringe aus Riffelstahl (z.B. 2562) eingesetzt, die nach dem Härten längerfristig ausgekocht werden. Die dahinterstehende Idee ist, durch eine gewisse Entspannung für eine leicht verbesserte Zähigkeit zu sorgen ohne Härteverlust-teilweise sogar mit leichtem Härtegewinn.
Ein solches Verfahren wird in :"Wärmebehandlung der Bau- und Werkzeugstähle" Herausgeber Hanns Benninghoff auf S. 367 beschrieben.
Für Meserklingen ist auch das nicht brauchbar.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
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