Zwei Anmerkungen zur Diskussion:
1. Druckschnitt bedeutet nicht, daß man das Messer von sich wegdrückt und Zugschnitt bedeutet nicht, daß man es auf sich zuzieht.
Wäre das so, so könnten sich Unterschiede nicht aus dem verwendeten Stahl ergeben, sondern müßten auf einer unterschiedlichen Art der Schärfe beruhen. Bei japanischen Sägen arbeitet man im Zugschnitt, weil die Zähne so geschärft sind, daß sie nur dann richtig greifen, wenn man sie auf sich zu zieht. Unsere Sägen arbeiten auf Druck, also wenn man sie von sich wegschiebt.
Messerklingen sind aber keine Sägen. Klingen, die eine offene Schneide haben, also Karbidchen, die aus der Matrix herausragen oder kleine Zacken in der Matrix, arbeiten am besten-oder besser gesagt- überwiegend im Zugschnitt, wenn sie also durch das Schneidgut gezogen oder gestoßen werden. Entscheidend ist also nicht die Richtung, in der sie geführt werden, sondern, daß sie horizontal zum Schnittgut bewegt werden.
Klingen mit einer geschlossenen Schneide schneiden dagegen nicht mit den feinen Zähnchen und Zacken, sondern mit dem fein ausgeschliffenen Keil. Sie werden also auf das Schnittgut aufgesetzt und im wesentlichen nach unten gedrückt und nur wenig nach vorn oder zurück bewegt. Der Schnitt wird also im wesentlichen durch den Druck nach unten bewirkt. Ob die Klinge dabei etwas nach vorn oder zurück bewegt wird, ist dabei gleichgültig. Extrembeispiele: Zugschnitt findet mit Brotmessern mit Kullen statt, Druckschnitt mit der Rasierklinge.
Um auf diese Weise gut zu schneiden, muß eine Schneide wesentlich feiner sein, als bei einer minisägenartigen, offenen Schneide. Die erforderliche Schärfe ist daher mit von Natur aus grobkörnigen Stählen -mit großen Primärkarbiden- kaum und schon gar nicht auf Dauer zu erreichen, während sie im Zug-oder Sägeschnitt durchaus gute Ergebnisse erzielen.
Warum die Japaner einseitig verstählte Messer machen ?
Es sind mehrere Gründe denkbar:
1. Es hat sich einfach eine entsprechende Tradition ergeben, einer macht es dem anderen nach, ohne über Gründe nachzudenken.
2. Es steckt eine bestimmte Absicht dahinter. In Frage kämen z.B. folgende Überlegungen:
a) Die Grundkonzeption weicher Mantel, harter Kern ist vernünftig. Man spart am wertvollen Stahl und schützt ihn zugleich. Das gilt natürlich auch für Dreilagenstähle. Beim Zweilagenstahl kann man aber noch mehr Stahl einsparen und das Problem, die harte Stahllage in der Mitte zu behalten, tritt nicht auf.
b) Wenn man dazu erzogen wurde, bei Werkzeugen auf definierte Geometrien zu achten, bietet sich die Zweilagen-Technik als Lösung an. Die Seiten der Klinge sind zwei parallel verlaufende Ebenen, der Anschliff ist eine dritte, im Winkel angesetzte Ebene.
Man sollte die Wirkung solcher in Fleisch und Blut übergegangener Vorstellungen nicht unterschätzen. Ein guter Freund, der seinen Beruf als Werkzeugmacher liebt und ernst nimmt, wird jedesmal von einem Schauder gepackt, wenn er an einem Werkzeug einen Übergang sieht, der nicht exakt einem Radius oder einem rechten Winkel entspricht.
c) Für den nach Perfektion strebenden bietet die Zweilagentechnik auch eine einfache Möglichkeit, einen ganz exakten Schneidenwinkel bis auf Null einzuhalten. Theoretisch sollte es auf diese Art leichter sein, eine Schneide ganz fein auszuschleifen, da man beim ersten Schliff nur zwei Ebenen- die perfekt flache Fläche mit dem harten Stahl und die dazu im gewünschten Winkel angebrachte Schräge zu beachten hat.
d) Das Nachschärfen wird auch für den nicht so ganz Geübten leichter. Die auf der Vorder- und Rückseite vorhandenen Flächen sind einfach einzuhalten. Der angeschliffene Schneidenwinkel wird wieder so weit nachgeschliffen, bis er die flache Stahlseite erreicht und dann muß nur noch ein eventuell entstandenes feines Fädchen entfernt werden.
Das Nachschärfen wird weiter dadurch erleichtert, daß man es nur mit einer dünnen Stahlschicht zu tun hat.
Ich vermute, daß die Gründe unter 2 c) und d) am ehesten ausschlaggebend waren.
Sind sie aber so überzeugend, daß man die Zweilagentechnik für überlegen und nachahmenswert halten sollte ?. Ich meine, nein !
Ich habe eine Reihe solcher Klingen gefertigt und ausprobiert. Sinn machen sie nur im Bereich feinster Schneiden- oder natürlich bei Behaubeilen, mit denen Balken gerade behauen werden sollen.
Beim feinen Schneiden in saftigem Schnittgut haben die perfekt ebenen Schneiden aber die unangenehme Eigenschaft, zu kleben.
Dem kann man dadurch entgegenwirken, daß man die Stahlseite leicht hohl schleift. Dies erleichtert das Abgleiten des Schnittguts- und auch das Nachschärfen, da nicht eine ganze Fläche geschliffen werden muß, sondern nur deren hochstehender Rand. Ist der allerdings weggeschliffen, so daß man in die hohl geschliffene Zone kommt, so kann man das Messer wegwerfen oder mit viel Geschick und Nervenkraft versuchen, durch Behämmern auf der Rückseite die Schneide wieder nach vorne zu drücken, damit sie wieder in die Ebene der Stahlseite kommt. In Japan gibt es für hochwertige Stecheisen eigens ein Gerät, das dieses Auslenken der Schneide in die ursprüngliche Ebene erleichtern soll.
Wer es kann und mag, soll es tun, ob der Nutzen den Aufwand wert ist, soll jeder für sich entscheiden.
MfG U. Gerfin