Leicht verzogene Klingen kann man nach dem Härten durch leichtes Erwärmen auf etwa 100 Grad recht gut richten. Bei dieser Temperatur soll sich der sprödere tetragonale Martensit in den zäheren kubischen Martensit umwandeln. Bei dieser Umwandlung ist ein Richten ohne Härteverlust möglich. Ob die Theorie zu 100 % stimmt, sei dahingestellt, in der Praxis funktioniert es jedenfalls. Voraussetzung ist, daß der Vorgang unmittelbar nach dem Härten vorgenommen wird. Das scheidet hier also schon mal aus.
Bei schon angelassenen Klingen funktioniert diese Methode logischerweise nicht. Da gibt es die brutale Methode: Biegen bis in den Bereich plastischer Verformung in der Hoffnung, daß zwischen der Grenze der elastischen zur plastischen Verformung und dem Bruch tatsächlich noch ein Bereich liegt. Das ist etwas für gute Nerven und nicht ernsthaft zu empfehlen.
Möglich ist ein hohes Anlassen im Rückenbereich, so daß dort eine Zone plastischer Verformbarkeit entsteht. Wenn man in diesem Bereich verformt, folgt die Schneide ohne Bruchgefahr.
Ich will dazu hier kurz ein kleines Erlebnis schildern, das ich kürzlich hatte. Hans Peter-hpkb- hatte mir eine Klinge aus 1.1545 geschickt, die den Nageltest und Glaskratztest bestanden hatte. Er hatte sie im Schraubstock um etwa 45 Grad gebogen und wieder zurückgehämmert, ohne daß sie Beschädigungen aufwies. Ein Rest Biegung war noch vorhanden und ich habe sie hohl gelegt und mit Hammerschlägen auf dem Amboß gerichtet. Auch das hat sie überstanden. Dieses doch nun wirklich sehr anständige Verhalten hat mich neugierg gemacht und ich habe sie sauber überschliffen und durch Ätzen die unterschiedlichen Zonen sichtbar gemacht. Dabei zeigten sich drei deutlich unterschiedliche Zonen, von der glasharten Schneide über eine Mittelzone zum weicheren Rücken. Ich denke Hans Peter wird die Klinge mal hier zeigen.
Das Richten nach partiellem Erwärmen im Rückenbereich ist sicher auch hier gut möglich.
Wenn es sich um einen Dreilagenstahl mit weichen Außenlagen handelt, gibt es sowieso kein Problem: Die kann man mit dem Hammer auf einer Holzunterlage richten. Als ich mit Jean Tritz Havard Bergland in seiner Schmiede besuchte, erörterten wir auch Fragen des Richtens. Jean und ich entwickelten raffinierte Theorien, wie man schadlos richten könnte. Havard sagte nur: " we do it this way", legte eine Klinge auf einen Holzklotz, schlug sie erst mit dem Hammer krumm und dann wieder gerade.
Sind die Seitenlagen der Klinge nicht weich, sondern auch hart- was ich für eher unwahrscheinlich halte- ist die Methode mit dem hohen Anlassen des Rückens vor dem Richten vorzuziehen.
MfG U. Gerfin